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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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hatte. Aus den Fenstern von Jos winziger Wohnung über den Ställen wehten bunte Vorhänge. Die Herbstsonne tauchte die Felder in ein weiches Licht. Winny graste, eine Pferdedecke auf dem Rücken, zufrieden auf einer nahe gelegenen Weide, und Jo hörte, wie Neddy sich oben zu schaffen machte.
    »Ich bin glücklich hier«, sagte sie sich. »Das ist meine kleine Oase.«
    Nachdem sie die alte braune Teekanne gefüllt hatte, stellte sie sie neben den angeschlagenen Milchkrug auf den Tisch, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Das Kinn in die Hände gestützt, starrte sie ins Leere und überlegte sich zusätzliche Trainingseinheiten für die Pferde, bis sie von Motorengeräuschen aus ihren Tagträumen gerissen wurde.
    »Bestimmt ist das Harry, der die Pferde beschlagen will«, rief sie Neddy zu, sprang auf und zog Notizbuch und Bleistift aus der Tasche. »Heute haben wir vier Kandidaten, Harry. Northern Gypsy hat seine Hufeisen schon wieder abgenützt«, sprach sie weiter, während sie, den Kopf über den Block gesenkt und den Bleistift in der Hand, die Liste durchging und gleichzeitig die Tür öffnete. Ihr stieg der Duft von Rasierwasser in die Nase, sie schnupperte, hob den Kopf – und blickte sprachlos in ein meergrünes Augenpaar.
    »Simon«, stieß sie hervor.
    Wie angewurzelt stand sie da, bevor sich all ihre aufgestauten Gefühle mit der Macht einer Flutwelle Bahn brachen. Das Herz drohte ihr zu zerspringen, der Stift glitt aus ihrer Hand, unbemerkt landete er auf den Steinstufen. Lange Zeit starrten sie einander schweigend an. Jo konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, als Simon sie mit Blicken umfasste.
    »Jo, bist du das wirklich? Habe ich dich endlich gefunden?«, stammelte er.
    Tausendmal hatte er sich zurechtgelegt, was er ihr sagen wollte. Und nun, da sie vor ihm stand, fiel ihm nichts mehr ein. Er konnte nur noch daran denken, dass sie noch schöner geworden war und er sie am liebsten an sich gedrückt und für immer festgehalten hätte. Erleichterung paarte sich mit einer schmerzlichen Sehnsucht, als er in ihre überrascht geweiteten Augen blickte. Er fasste sich wieder, hob ihren Bleistift auf und hielt ihn ihr mit zitternder Hand hin.
    »Jo, ich muss mit dir reden. Sind wir irgendwo ungestört?«, fragte er mit bebender Stimme.
    Das Blut rauschte so laut in Jos Ohren, dass sie ihn kaum verstehen konnte. Wie eine Schlafwandlerin nahm sie den Stift entgegen und betrachtete ihn verständnislos. Ihr Mund war ganz trocken, sie brachte keinen Ton heraus.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie mit feinen Pinkeln befreundet sind«, brummte Neddy, der hinter ihr erschienen war.
    »Er ist kein feiner Pinkel, Neddy.«
    Jo lachte zittrig und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sein Einwurf hatte die angespannte Stimmung ein wenig aufgelockert.
    »Das ist Simon Gordon, ein alter Freund von mir. Und das ist Mr Fox, der Besitzer der Orion-Ställe.« Sie lächelte Simon zu, und ihre Mundwinkel zuckten. Er war in der hellen Leinenhose und dem offenen Hemd so unbeschreiblich attraktiv, seine meergrünen Augen hoben sich wie früher verführerisch von der sonnengebräunten Haut ab. Allerdings hatte er abgenommen, und die kleinen Fältchen um seine Augen waren ihr neu.
    »Na, dann … Wir haben viel zu tun, und das Mädchen kann nicht den ganzen Tag herumstehen und Maulaffen feilhalten. Sagen Sie, was Sie zu sagen haben, und gehen Sie wieder«, knurrte Neddy mit einem finsteren Blick auf Simon. »Und Sie, Jo, schauen nach, was aus dem alten Harry geworden ist. Die Pferde müssen dringend beschlagen werden, und wir haben keine Zeit, mit feinen Pinkeln zu plaudern.«
    Jo errötete verlegen. Das Herzklopfen und das Rauschen in ihren Ohren hatten inzwischen nachgelassen.
    »Tut mir leid, Sir. Ich will sie nicht lange aufhalten«, wandte Simon mit verzweifeltem Blick ein.
    »Ich habe um fünf Uhr Feierabend. Komm doch danach vorbei«, meinte Jo unruhig und hielt nach Harry Ausschau.
    »Darf ich dich zum Essen einladen?«
    »Sehr gern«, erwiderte sie schüchtern.
    »Abgemacht«, sagte Simon entschlossen. »Dann hole ich dich um halb sieben ab. Was machen ein paar Stunden mehr oder weniger, nachdem ich dich drei Monate lang gesucht habe?«
    Völlig durcheinander blickte Jo dem davonfahrenden Simon nach. Sie fragte sich, ob es klug gewesen war, seine Einladung anzunehmen und die Gefühle der Vergangenheit wieder aufzurühren. Aber sie hatte es nicht über sich gebracht, ihn einfach ziehen zu lassen.
    Den restlichen

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