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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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vergeblich bearbeitet. Ich dachte, es könnte einen Versuch wert sein. Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass du es wirklich bist, aber ich war so verzweifelt, dass ich wegen eines Hinweises sogar bis zum Mond geflogen wäre.«
    Lachend streichelte Jo sein Kinn, das sich anfühlte wie feines Sandpapier, was ein wohliges Prickeln in ihr auslöste. Eigentlich brachte alles an ihm ihre Nerven zum Vibrieren. Seit Ricks Tod hatte sie sich nicht mehr so glücklich und lebendig gefühlt, und mit jeder Sekunde in Simons Gegenwart steigerte sich ihre Sehnsucht, wieder in seinen Armen zu liegen. Die Heftigkeit ihrer Gefühle machte ihr beinahe Angst.
    »Von dem Moment an, als du mich auf Frances’ Party mit der Hüfte gegen den Tisch geschubst hast, war mein Leben die Hölle«, gab Jo zu, nachdem der Kellner zwei Portionen Scampi mit Pommes und frischen Erbsen gebracht hatte.
    »Oh, Gott, habe ich dir so wehgetan?«, stöhnte Simon.
    Jo schüttelte grinsend den Kopf.
    »Damit meine ich nicht den blauen Fleck, sondern meine Verliebtheit in einen Mann, der für mich absolut unerreichbar war. Ich dachte, du hättest mich gar nicht wahrgenommen. Der blaue Fleck verschwand, und es war, als würde ich dich Schritt für Schritt verlieren«, beendete sie theatralisch den Satz, aber ihre Stimme bebte.
    Simon küsste sie auf den Scheitel.
    »Und so bin ich schon wieder vergeben«, lachte er. »Iss, sonst wird alles kalt. Ich möchte heute Abend wenigstens eine Sache richtig hinkriegen.« Jo schob den ersten Bissen in den Mund und merkte, wie hungrig sie war.
    Sie unterhielten sich, und die Zeit verging wie im Flug. Im flackernden Lampenlicht saßen sie an ihrem gemütlichen Tisch und sprachen über ihre Sehnsucht und das, was sich in den vergangenen Monaten ereignet hatte. Dabei hielten sie einander an den Händen, sahen sich in die Augen und konnten es kaum fassen, dass ihre Gefühle wirklich erwidert wurden. Jo nahm sich ein Stück von der Pfefferminzschokolade, die Simon zum Kaffee bestellt hatte, sah auf die alte Uhr auf dem Kaminsims und bemerkte erschrocken, wie spät es war.
    »Geht die Uhr richtig?«, rief sie aus. »Versteh mich nicht falsch, aber du musst mich zurückbringen. Ich stehe normalerweise auf, wenn du ins Bett gehst, und wenn ich nicht genug Schlaf bekomme, ist die Bahnarbeit eine Katastrophe.«
    Widerstrebend warf Simon ebenfalls einen Blick auf die Uhr und half Jo in die Jacke. Auf dem Weg zum Auto legte er den Arm um sie.
    »Wehe, wenn du wieder davonläufst. Ich könnte es nicht ertragen, dich noch einmal zu verlieren«, sagte er, drehte kurz den Kopf in ihre Richtung und ließ den Finger über ihre erhitzte Wange gleiten. Seine andere Hand lag auf dem Lenkrad, als sie in raschem Tempo zu den Ställen fuhren.
    »Das habe ich nicht vor. Ich bleibe«, antwortete Jo schläfrig und lächelte leise.
    Es war ein langer, aufwühlender Tag gewesen. Auf dem Weg über die stockfinstere Landstraße schmiegte sie sich eng an Simon und spürte die Wärme seines Körpers. Im Licht der Scheinwerfer sah sie Hasen und Füchse über die Straße huschen und wünschte, diese Nacht würde nie zu Ende gehen.
    Am Ende der Straße, die zu den Ställen führte, hielt Simon den Wagen an und küsste Jo ein letztes Mal. Seine Leidenschaft verschlug ihr den Atem.
    »Wann sehen wir uns wieder?«, fragte er, bange Erwartung in seinem Blick.
    »Sonntag in einer Woche ist mein nächster freier Tag. Vielleicht können wir eine Spazierfahrt machen, falls das Wetter schön ist«, schlug Jo mit klopfendem Herzen vor.
    »Keine zehn Pferde werden mich daran hindern«, antwortete Simon grinsend und bog zu den Ställen ein. »Ich rufe dich unter der Woche an und bin um Punkt zehn Uhr hier, du wunderbares, fantastisches Mädchen. Ich möchte nämlich einen ganz besonderen Ausflug mit dir unternehmen.«
    Er begleitete sie zur Treppe und blickte ihr nach, als sie zu ihrer winzigen Wohnung hinaufeilte. Auf der ganzen Fahrt zum Haus seiner Tante sang er aus voller Kehle. Sein klarer Bariton hallte über die geheimnisvolle und dunkle Moorlandschaft.

15
    Den ganzen Sonntag goss es wie aus Kübeln, und das Wetter besserte sich auch für den Rest der Woche nicht. Jo war das einerlei. Mit Gummistiefeln, Regenmantel und Südwester ausgestattet, stapfte sie durch den Matsch. Sie war nach der Bahnarbeit völlig durchweicht und verbrachte die Nächte frierend, weil trotz aller Bemühungen, sämtliche Ritzen abzudichten, der Wind durch ihr Zimmer pfiff.

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