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Wohin du auch fliehst - Thriller

Wohin du auch fliehst - Thriller

Titel: Wohin du auch fliehst - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haynes Elizabeth
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nicht.
    »Was stellen Sie sich gerade vor?«, fragte Alistair.
    »Dass Lee in meiner Wohnung ist«, sagte ich. »Er steht da.«
    »Sehr gut. Ich möchte, dass Sie sich vorstellen, wie er wieder geht. Setzen Sie ihn in ein Auto und schicken Sie ihn fort.«
    Ich tat wie geheißen. Er drehte sich um, zwinkerte mir zu – woher das kam, wusste ich nicht – und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Ich ging zum Fenster und sah, wie er in seinen silbernen Wagen stieg, die Tür zuknallte und wegfuhr. Ich stellte mir vor, wie ich wieder zum Sofa zurückging und den Fernseher anmachte.
    Ich öffnete die Augen.
    »Wie war das?«
    »Ich habe es geschafft!«, sagte ich.
    »Und Ihre Angst? Wie schlimm ist sie jetzt?«
    »So um die siebzig Punkte, vielleicht achtzig.«
    »Sehen Sie, Sie können es. Das ist ein guter Anfang.«
    Samstag, 12. Juni 2004
    Es dauerte ewig, am Ende tat es mir fast leid, dass es vorbei war. Er zog sich aus mir zurück, rollte von mir herunter, setzte sich mit dem Rücken an die Wand und stützte den Kopf in die Hände. Ich sah mein Blut an seinen Händen, auf seinem Gesicht. Dann hörte ich ihn schluchzen. Vorsichtig setzte ich mich auf.
    »Was tue ich da?«, sagte er mit einer gebrochenen Stimme. »Oh mein Gott. Was zum Teufel …«
    Ich sah, dass er weinte.
    Ich kroch auf ihn zu, alles tat mir weh. Ich setzte mich neben ihn, legte meinen Arm um seine Schulter. Er legte seinen Kopf an meinen Hals, seine Tränen liefen über meine Haut. Ich legte meine zertrümmerte, kalte Hand mit den drei wurstartig angeschwollenen Fingern auf seine Wange. »Pssst, es ist alles in Ordnung.« Meine Stimme klang verzerrt, meine Lippe war geplatzt und geschwollen. »Lee, es ist alles in Ordnung. Es ist okay, ehrlich.«
    Noch lange weinte er an mich gelehnt, ich hielt ihn im Arm und fragte mich, ob am Ende auch für mich alles okay sein würde.
    »Man wird mich einsperren«, sagte er schluchzend. »Dafür werden sie mich wegsperren.«
    »Das werden sie nicht!«, beruhigte ich ihn. »Ich werde es niemandem sagen. Alles wird gut, nur wir beide ganz allein, versprochen.«
    »Wirklich?« Wie ein Kind sah er zu mir auf.
    Ich fragte mich, ob er mein böse zugerichtetes Gesicht überhaupt erkennen konnte. Sah ich einigermaßen tröstlich aus? Wie konnte er nur davon ausgehen, dass alles auch nur annähernd wieder in Ordnung kommen würde?
    Ich musste diese Strategie weiterverfolgen – das war meine einzige Chance. »Ich muss mich ein wenig saubermachen.«
    »Natürlich.«
    Zu meiner Überraschung stand er auf und verließ das Zimmer.
    Ich kroch über den Flur zum Bad, schaffte es bis in die Dusche und sah zu, wie sich mein Blut mit Wasser verdünnte und vor dem Emaille-Hintergrund fast schon schöne Muster bildete. Ich wusch die Pisse aus meinen Haaren und versuchte, nicht hinzusehen, als sich ganze Strähnen lösten und den Abfluss verstopften. Meine Haut schmerzte; meine rechte Hand war nach wie vor zu nichts zu gebrauchen. Ich fragte mich, was passieren würde, wenn die Knochen gebrochen waren und nicht verarztet wurden.
    Zum Glück hing das dunkelblaue und nicht das weiße Handtuch im Badezimmer. So war das Blut nicht so stark zu sehen, als ich mich behutsam abtrocknete. Ich blutete zwischen den Beinen. Vermutlich hatte ich meine Tage, dachte ich, die ohnehin überfällig waren. Ich hatte mir keine Gedanken darüber gemacht und ihr Ausbleiben dem Gewichtsverlust zugeschrieben, dem Stress und der Tatsache, dass ich nicht regelmäßig aß. Vielleicht hatte der Schock sie ausgelöst.
    Ich hatte das Gefühl, als passierte das alles einer anderen. Ich ging ins Schlafzimmer, holte mir Binden, ein Höschen und Klamotten, eine Jeans, einen Gürtel und einen weiten Pulli. Ich hätte weglaufen, auf die Straße rennen und um Hilfe schreien können.
    Aber ich konnte nicht hinaus auf die Straße rennen. Ich hätte nicht gewusst, wohin. An die Polizei konnte ich mich nicht wenden. Er war einer von ihnen. Sie würden mich mustern, und er würde irgendeine Geschichte erfinden, von wegen dass ich traumatisiert sei, weil ich an einer seiner verdeckten Ermittlungen teilgenommen habe und deshalb geistig verwirrt sei. Er habe nur versucht, mir zu helfen. Dann würde man mich ins Krankenhaus bringen lassen, mich dort wieder zusammenflicken und anschließend in die Psychiatrie einweisen. Oder schlimmer noch, mich wieder nach Hause schicken. Mit der linken Hand versuchte ich halbherzig, das Gästezimmer zu putzen. Das Blut war überall – an der

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