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Wohin du auch fliehst - Thriller

Wohin du auch fliehst - Thriller

Titel: Wohin du auch fliehst - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haynes Elizabeth
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begannen zu zittern.
    »Sie sind hier in Sicherheit. Versuchen Sie, es auszusprechen.«
    Meine Stimme kam von weit her. »Lee.«
    »Richtig. Und Sie werden sich auch dieser Angst stellen müssen, sonst brauchen wir die anderen Ängste gar nicht erst anzugehen. Und je eher wir damit anfangen, desto besser. Alle anderen Ängste beruhen auf dieser einen großen Angst, nicht wahr? Wenn wir also die Angst vor Lee in den Griff kriegen, werden wir auch alle anderen Ängste besiegen. Meinen Sie nicht auch?«
    »Ja«, sagte ich. Wenn ich keine Angst vor Lee hatte, brauchte ich weder die Tür zu kontrollieren noch all die anderen dämli chen Handlungen zu verrichten, mit denen ich meinen Tag füllte. Das klang alles so verdammt einleuchtend. »Aber das ist keine eingebildete Angst. Ich kann ja verstehen, dass es bescheuert und reine Zeitverschwendung ist, die Besteckschublade sechs Mal zu kontrollieren. Aber die Angst vor Lee hat etwas mit Selbstschutz zu tun.«
    Alistair nickte. »Ja, aber im Grunde reden wir doch an der Sache vorbei: Es gibt Lee als Person und den Gedanken an Lee. Lee geht vermutlich irgendwo im Norden seinem Alltag nach. Aber der Gedanke an ihn belastet Ihren Alltag. Sie glauben, ihn unterwegs zu sehen. Sie stellen sich vor, dass er versucht, in Ihre Wohnung einzubrechen. Also ist der Gedanke an ihn, die Allmacht, die Sie ihm einräumen, der Quell allen Übels, mit dem wir uns unbedingt auseinandersetzen müssen.«
    Ich bekam Kopfschmerzen.
    »Ich sage ja nicht, dass Sie den echten Lee aufsuchen, sich ihm stellen und warten sollen, bis die Angst nachlässt. Aber ich finde, Sie sollten an dem Bild, das Sie von ihm haben, arbeiten, so wie Sie an Ihren Zwängen arbeiten, und zwar nach dem Entstehungs- und Aufrechterhaltungsmodell.«
    »Wie? Wie soll ich das anstellen?«
    »Indem Sie die Gedanken einfach kommen und wieder gehen lassen. Gestehen Sie sich die Erinnerung zu. Lassen Sie die Angst kommen, warten Sie, bis sie nachgelassen hat, und den ken Sie dann wieder an ihn, bevor sie ganz weg ist. Zu Hause stellen Sie sich vor, er käme ins Zimmer. Malen Sie ihn sich aus. Stellen Sie sich vor, Sie stünden vor ihm und sähen ihn an. Dann warten Sie, bis die Angst abklingt. Das sind nur Gedanken, Cathy. Lassen Sie sie einfach kommen und gehen.«
    So wie er das sagte, klang es ganz einfach.
    »Werden Sie es versuchen?«
    »Was – jetzt?«
    »Wir können es gleich ausprobieren. Sie sollten es aber vor allem zu Hause tun. Am Anfang könnten Sie Stuart bitten, sich neben Sie zu setzen. Aber Sie sollten ihn nicht wie ein Beruhigungsmittel einsetzen. Sie müssen es alleine schaffen.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.«
    »Das liegt rein bei Ihnen. Aber denken Sie doch mal nach, wie toll es wäre, wenn Sie keine Angst mehr vor Lee haben müssten. Der Versuch ist es wert, oder? Und wenn wir es gleich hier ausprobieren, wird Ihnen der nächste Versuch zu Hause gleich leichter fallen. Hier kommen Sie wenigstens nicht in Versuchung, die Tür zu kontrollieren. Was halten Sie davon?«
    Ich antwortete nicht.
    »Überlegen Sie zuerst, wie sehr Sie der Gedanke an Lee quälen würde. Lassen Sie uns das Punktesystem dafür verwenden. Auf einer Skala von null bis hundert – wie schlimm wäre das Ihrer Meinung nach?«
    »Nur an ihn zu denken? Neunzig Punkte.«
    »Gut, lassen Sie es uns versuchen, ja?«
    Ich schloss die Augen, war mir nicht sicher, was ich da tat und ob nicht doch alles noch furchtbar schiefgehen würde. Es fiel mir nicht schwer, mir Lee vorzustellen. Er war sowieso ständig in meinem Kopf, auch wenn ich dagegen ankämpfte. Diesmal ließ ich die Gedanken kommen. Ich stellte mir meine Wohnung vor. Ich saß auf dem Sofa, sah zur Tür und wartete. Ich stellte mir vor, wie die Tür aufging und Lee dastand.
    Ich spürte, wie mich die Angst regelrecht verschlang, mein Herz begann zu rasen, Tränen traten mir in die Augen.
    »Das ist es!«, sagte Alistair. »Lassen Sie die Gedanken einfach kommen, versuchen Sie nicht, sie aufzuhalten.«
    Ich stellte mir vor, wie er auf mich zukam. Derselbe Lee wie immer: gut aussehend, mit kurzem blonden Haar, leicht gebräunt, auch mitten im Winter. Und dann diese Augen, blauer als der Sommerhimmel. Seine Statur, die Muskeln an Armen und Oberkörper. Er kam auf mich zu, stellte sich neben mich und sah auf mich herab. Er lächelte sogar.
    Ich wartete, spürte, wie die Angst bereits nachließ. Ich hatte mich auf eine schlimme Panikattacke gefasst gemacht, doch so schlimm war es gar

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