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Wohin du auch fliehst - Thriller

Wohin du auch fliehst - Thriller

Titel: Wohin du auch fliehst - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haynes Elizabeth
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vergewaltigte, tat er wenigstens nichts anderes.
    Wenigstens tötete er mich nicht.
    Freitag, 28. März 2008
    »Wie läuft es so?«, fragte Alistair, als ich sein Zimmer betrat.
    »Nicht schlecht«, erwiderte ich. Ich reichte ihm meine Notizen, die ich jede Woche fleißig machte.
    In der linken Spalte standen meine Kontrollzwänge in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit eingetragen, gefolgt von einer Liste mit Vermeidungszwängen. Wir begannen mit den am wenigsten ausgeprägten. Ich bewertete jeden Zwang nach dem Stress, den er mir auf einer Skala von 0 bis 100 verursachte, wenn ich ihm nicht nachgab. An oberster Stelle stand die Kontrolle der Wohnungstür, sie bekam 95 Punkte. Am wenigsten schlimm war das Badezimmerfenster, 40 Punkte. Vermeidungs zwänge – überfüllte öffentliche Plätze, 65 Punkte, die Polizei, 50 Punkte, und nach dem Zwischenfall neulich natürlich auch die Farbe Rot, die mit 80 Punkten zu Buche schlug. Darunter standen meine Ordnungszwänge – nicht an bestimmten Tagen einkaufen gehen, nur an bestimmten Tagen essen –, doch keiner davon war mehr so schlimm wie vorher, jeder bekam 20 Punkte. Der schlimmste Ordnungszwang war die Tasse Tee zu bestimmten Uhrzeiten – er bekam 75 Punkte.
    Ich hatte mir vorgenommen, mich meinen am wenigsten ausgeprägten Ängsten so oft wie möglich zu stellen. Neben der ursprünglichen Punktzahl notierte ich dann, wie schlecht es mir ging, nachdem ich mich ihnen ausgesetzt und meine Angst nachgelassen hatte.
    Alistair las meine Liste und nickte, ab und zu zog er die Brauen hoch. Ich fühlte mich wie eine Schülerin, die ihrem Lehrer die Hausaufgaben zeigt. »Gut, sehr gut!«, sagte er.
    »Das erinnert mich ein bisschen an Harry Potter, wissen Sie. An die Stelle, wo sie die Dinge, vor denen sie sich am meisten fürchten, lächerlich machen.«
    »Ganz genau. So wie im Hamlet.«
    »Hamlet?«
    »›Denn an sich ist nichts weder gut noch böse; das Denken macht es erst dazu.‹ Wie dem auch sei – was haben Sie noch ausprobiert?«
    Ich holte tief Luft. »Na ja, ich habe es geschafft, mir im Fernsehen ein paar Sendungen mit Polizeieinsätzen anzusehen. Zuerst einen Krimi, dann eine von diesen Realityshows, bei denen vom Rücksitz eines Streifenwagens aus mitgefilmt wird.«
    »Und?«
    »Es war okay. Zuerst wollte ich den Fernseher ausmachen, habe es dann aber doch nicht getan. Ich habe weiter tief ein- und ausgeatmet und mir die Sendung angesehen. Am Ende war sie sogar ziemlich interessant. Ich habe mir immer wieder eingeredet, dass das nicht echt ist. Ich hatte befürchtet, Albträume davon zu bekommen, doch dem war nicht so.«
    »Das kling hervorragend, aber seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie sich einreden. Am besten, Sie lassen es ganz. Selbstgespräche können auch ein Sicherheitsverhalten sein. Versuchen Sie es noch einmal, aber probieren Sie aus, ob Sie auch einfach zuschauen und es genießen können. Akzeptieren Sie, dass es ein Fernsehprogramm wie jedes andere ist.«
    »In Ordnung.«
    »Und was ist mit der Kontrolle?«
    »Ich habe das Badezimmer ausgelassen. Ich habe es aus meinem Kontrollritual beim Heimkommen gestrichen.«
    »Und wie war das?«
    »Erstaunlich einfach.«
    »Du hast den daraus resultierenden Stress mit fünf Punkten bewertet – sehr gut.«
    Das stimmte tatsächlich: Ich war schnurstracks am Bad vorbeigelaufen und hatte mir klargemacht, dass es keine Gefahrenquelle sein konnte – schließlich ging das blöde Fenster gar nicht auf –, und ich hatte es geschafft. Anfangs war es nicht sehr angenehm. Nachdem ich den Rest kontrolliert hatte, fühlte ich mich nach wie vor seltsam. Ich saß noch lange da, starrte auf die Badezimmertür und rief mir vor Augen, dass mit dem Fenster alles in Ordnung war. Irgendwann hatte der Stress nachgelassen, und ich hatte mich gar nicht mehr so schlecht gefühlt.
    Es motivierte mich sehr, als ich die Fortschritte sah. Ich wollte nach Hause gehen und mich an noch schwierigere Sachen heranwagen.
    Unsere Stunde war fast vorbei, als Alistair meine Liste erneut zur Hand nahm. »Ich glaube, Sie sollten sich überlegen, was auf der Liste noch fehlt«, sagte er.
    »Und das wäre?«
    »Denken Sie doch mal nach. Was ist Ihre größte Angst? Der absolute Albtraum.«
    Ich überlegte, weil ich zuerst nicht wusste, was er meinte. Dann fiel es mir plötzlich ein, aber ich wollte es nicht aussprechen. Ich spürte sofort die Angstreaktion, von der wir gerade gesprochen hatten – mein Herz schlug schneller, und meine Hände

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