Wohin du auch fliehst - Thriller
hatte.
»Ist nicht viel dran an deinem neuen Kerl«, sagte er. »Ein echter Schwächling.«
»Was willst du?«
»Nur reden.«
»Dann komm mit.«
Zu meinem Erstaunen ließ er mich durch. Ich warf einen Blick auf die Eingangstür, überlegte, ob ich es riskieren sollte, wusste aber, dass ich Stuart niemals hätte zurücklassen können.
Ich machte das Licht neben dem Sofa an und setzte mich. In der Tasche meiner Bluse steckte mein Handy. Als er sich mir gegenübersetzte, drückte ich auf die Wahlwiederholungstaste und hoffte, es würde die letzte Nummer, die ich gewählt hatte, anrufen. Ich wartete ein paar Sekunden und beendete den Anruf. Ich hoffte, dass es am anderen Ende geklingelt hatte.
»Du siehst gut aus«, sagte er und fügte zu meinem Entsetzen hinzu: »Du hast mir gefehlt.«
»Ach ja?«
»Natürlich. Kein Tag ist vergangen, an dem ich nicht an dich gedacht hätte. Es hätte niemals so weit kommen dürfen. Alles lief falsch.«
»Wie meinst du das?« Ich spürte, wie Ärger in mir aufstieg. Das machte mich wagemutiger. Ich überlegte, welche Möglichkeiten ich hatte. Nett sein? Oder gemein sein? Womit konnte ich am meisten Zeit gewinnen?
»Du hättest es mir sagen sollen.«
»Was?«
»Dass du schwanger warst. Du hättest es mir sagen sollen, Catherine.« Seine Stimme klang ruhig, fast zärtlich.
Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. »Wovon redest du da?«
»Du hast das Baby, unser Baby verloren. Nicht wahr? Es wäre alles so anders gekommen, wenn du es mir gesagt hättest. Dann wären wir noch zusammen.«
»Du meinst, du hättest nicht versucht, mich umzubringen, wenn du gewusst hättest, dass ich schwanger bin?«
»Ich hätte verhindert, dass du so hart gegen dich selbst bist. Ich hätte mich mehr um dich gekümmert und Hilfe geholt, bevor es so weit gekommen wäre …«
Ich schüttelte langsam den Kopf. »Du denkst, das war alles meine Schuld? Du glaubst deinen eigenen Lügen?«
»Catherine, komm schon! Du weißt doch selbst, wie du bist. Natürlich war es deine Schuld. Darum musste ich dich finden, um dich wiederzusehen. Um zu verhindern, dass du dir wieder etwas antust. Diesmal können wir es richtig machen. Wir können versuchen, ein Baby zu bekommen. Wir könnten eine Familie sein.«
Ich sah ihn einen Augenblick lang an und hätte am liebsten gelacht. Ich hatte mich in den vergangenen Jahren auf alles Mögliche gefasst gemacht, aber darauf wäre ich nie gekommen. »Ich muss etwas trinken«, sagte ich schließlich. »Willst du auch was?«
Er sah mich lange an, seine blauen Augen wirkten nachdenklich. »Klar.«
Ich ging in die Küche und holte eine Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank. Ich überlegte, sie als Waffe zu benutzen. Das muss ihm auch klar geworden sein, denn er sprang in dem Moment auf, als das Handy in meiner Tasche klingelte.
Wir sahen uns an. Ich zog es aus der Tasche und blickte auf das Display.
»Geh nicht dran!«, sagte er, als ich gerade auf Annahme drückte.
»Hi! Sam! Wie geht es dir?«
Ich hörte Sam Hollands’ Stimme am anderen Ende, sie war meine Rettung. Sie klang müde. »Ich hatte einen verpassten Anruf auf meinem Handy, alles in Ordnung?«
»Wie hast du Ostern verbracht?«, sagte ich. »Ich habe an dich gedacht …«
Lee griff nach dem Handy und warf es an die Küchenwand. Es zerbrach in tausend Stücke, die über den Boden schlitterten. »Habe ich nicht gesagt, du sollst nicht drangehen? Hast du wieder mal nicht zugehört?« Seine Stimme wurde lauter, er versuchte mich einzuschüchtern.
»Das war dumm von dir«, sagte ich. »Was, wenn sie kommt und nach mir sieht?«
Ich hatte eine Grenze überschritten. Mit dem Handrücken schlug er mir ins Gesicht, und ich knallte gegen die Küchentheke. Meine Wange schmerzte, und ich schmeckte Blut. Ich hätte Angst haben müssen. Ich hätte entsetzt sein müssen. Stattdessen hatte ich einfach genug von dem Mann, der über so viele Jahre hinweg mein Leben kontrolliert hatte.
»Wer war das?«
»Sam«, sagte ich. »Das hast du doch gehört. Aber jetzt, wo du mein Telefon zerstört hast, kannst du das schlecht überprüfen.«
Er grinste mich an. »Sam ist in Lancaster, sie wird also kaum hier anrufen.«
»Das ist eine andere Sam.«
Ich nutzte den Augenblick, packte die Weinflasche am Hals und schwang sie, so gut ich konnte. Ein wütender Schrei entfuhr mir, der ihn vermutlich fast betäubte. Ich zielte auf seinen Kopf, traf aber seine Schulter, und das noch nicht einmal fest genug, um irgendeinen
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