Wohin du auch fliehst - Thriller
und die Sirene hatten mich völlig fertig gemacht.
Als wir die Haustür erreichten, stützte er mich. Ich umklammerte seinen Arm wie eine Rettungsleine und hatte Angst, ihn loszulassen. »Komm mit nach oben, ich mache dir eine Tasse Tee«, sagte er.
Sobald die Haustüre hinter uns ins Schloss gefallen war, ließ ich ihn los. Ich kontrollierte sie nur einmal, obwohl er daneben stand. Ich zog sie auf und schloss sie wieder, zog ein weiteres Mal an der Tür und hörte, wie sie einrastete. Ich fuhr mit den Fingern über den Türrahmen, an der Stelle, wo die Tür auf den Türstock traf, und kontrollierte, ob sie auch wirklich zu war. Am liebsten hätte ich sie noch einmal kontrolliert, doch mir war klar, dass er mich beobachtete. Ich brachte ein schwaches Lächeln zustande.
»Danke. Es geht schon wieder.«
Ich wartete, dass er die Treppe hinaufging, damit ich noch einmal die Tür kontrollieren konnte, doch er rührte sich nicht vom Fleck.
»Bitte. Komm mit, nur auf eine Tasse Tee. Wir lassen die Tür offen, dann kannst du gehen, wann immer du willst. Einverstanden?«
Ich starrte ihn an. »Es geht mir gut. Danke.«
Er rührte sich nicht von der Stelle.
»Bitte, Stuart, du kannst wieder zu deinen Freunden gehen. Es geht mir gut, ehrlich.«
»Komm einfach nur mit auf eine Tasse Tee. Die Tür ist zu, ich habe selbst gesehen, wie du sie zugemacht hast. Du bist in Sicherheit.« Er streckte seine Hand aus und wartete, dass ich sie ergriff.
Ich nahm sie nicht, aber irgendwie gelang es mir, das Kontrollieren sein zu lassen. »In Ordnung, danke.«
Du bist in Sicherheit? Was für eine Aussage, dachte ich und folgte ihm die Treppe hinauf. Ich durfte auf keinen Fall meine Wohnungstür ansehen, als wir daran vorbeigingen, sonst hätte ich dem Drang, alles zu kontrollieren, nicht widerstehen können. Unter den gegebenen Umständen wusste ich, dass ich diese Nacht kein Auge zutun würde.
Er knipste in seiner Wohnung überall das Licht an und setzte Wasser in der Küche auf. Zur linken Seite der Küche befand sich ein großer offener Wohnzimmerbereich mit zwei Erkerfenstern, die nach vorne hinausgingen. Auf dem Fenstersims standen Grünpflanzen. Ich trat vor und sah hinaus. Trotz der Dunkelheit hatte man einen guten Blick auf die High Street und die Menschenmassen, die noch immer sorglos auf und ab liefen. Von hier oben konnte man über die Hausdächer bis zur anderen Straßenseite sehen, hinunter auf die glitzernden orangefarbenen Straßenbeleuchtungen Londons bis zum Fluss. In der Ferne erkannte man die Lichter auf den Dächern von Canary Wharf, die an- und wieder ausgingen, und dahinter den Dome, der wie ein Raumschiff leuchtete. Stuart stellte eine Tasse Tee für mich auf den Couchtisch und setzte sich in einen Lehnstuhl. »Wie geht es dir?«, erkundigte er sich behutsam.
»Es geht mir gut«, log ich und zitterte. Ich setzte mich aufs Sofa, das niedrig, tief und überraschend bequem war, und umklammerte meine Knie. Plötzlich war ich unglaublich müde.
»Wirst du klarkommen?«, fragte er.
»Natürlich«, antwortete ich.
Er zögerte und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. »Wenn du das Gefühl hast, du könntest eine Panikattacke bekommen, rufst du mich dann? Klopfst du dann an meine Tür?«
Ich überlegte kurz und schwieg. Das würde ich gerne , hätte ich am liebsten gesagt, wohl wissend, dass er recht hatte und ich später bestimmt eine Panikattacke bekommen würde. Gleichzeitig wusste ich, dass mich dann keine zehn Pferde aus meiner Wohnung bekommen würden.
Als meine Hände etwas weniger zitterten, wagte ich es, nach der Tasse zu greifen und einen Schluck Tee zu trinken. Er war heiß und schmeckte erstaunlich gut. Vielleicht hatte er nicht genug Milch hineingegeben, aber man konnte ihn trinken.
»Tut mir leid«, sagte ich
»Das muss dir nicht leidtun«, antwortete er. »Das war doch nicht deine Schuld.«
Bei diesen Worten musste ich wieder weinen. Ich stellte die Tasse ab und schlug mir die Hände vors Gesicht. Eigentlich dachte ich, er würde zu mir kommen und versuchen, mich zu trösten. Ich wappnete mich dagegen, doch er rührte sich nicht von der Stelle. Nach ein paar Minuten öffnete ich die Augen und entdeckte eine Packung mit Taschentüchern vor mir auf dem Tisch. Ich lachte kurz, nahm eines und wischte mir das Gesicht ab.
»Du leidest an einer Zwangsstörung«, hörte ich ihn sagen.
Ich fand meine Stimme wieder. »Ja, danke für den Hinweis.«
»Bist du in Behandlung?«
Ich schüttelte den Kopf.
Weitere Kostenlose Bücher