Wohin du auch fliehst - Thriller
starrte er mich an. Ich lief quer über die Tanzfläche und trat zu ihm; er ließ mich keine Sekunde aus den Augen. Er nahm meine Hand, zog mich in den Flur, der vom Hauptsaal zur Bar vorne führte, und zerrte mich so fest hinter sich her, dass ich stolperte und schrie: »Lee, Lee? Was, zum …?«
Er stieß eine Tür mit dem Hinweis »Unbefugten Zutritt verboten« auf, und als die Brandschutztür hinter uns zufiel, war die Musik plötzlich nur noch ein dumpfes Wummern. Meine Absätze schlitterten über den Betonboden, eine weitere Tür ging auf, und wir standen in einem Büro. Die einzige Beleuchtung kam von ein paar Überwachungsbildschirmen, auf denen die Tanzfläche, die Treppe und der Bereich vor den Toiletten zu sehen waren. Er fegte einen Stapel Papier vom Schreibtisch, der zu Boden flatterte, setzte mich mit beiden Händen auf den Tisch, so als wöge ich nichts, und presste begierig seinen Mund auf den meinen. Ich zerrte an meinem Rock, schob ihn hoch und aus dem Weg. Mit einer Hand zog er meinen Slip beiseite, zerriss ihn, warf ihn in den Raum und fickte mich so richtig durch.
Ein paar Minuten später zog er seinen Anzug zurecht und verließ wortlos den Raum, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. Ich saß mit gespreizten Beinen auf dem Schreibtisch, zitterte noch und musterte die Überwachungsbildschirme, bis er wieder am Haupteingang des Clubs auftauchte und die Tanzfläche kontrollierte, als sei nichts geschehen.
Doch dann schaute er hoch in die Kamera, direkt in meine Augen.
Ich sah mich im Büro um, musterte das überall verstreute Papier, meinen zerrissenen Slip in der Ecke und dachte: Wie verrückt ist das denn? Was zum Teufel tue ich hier? Was tue ich hier?
Montag, 3. Dezember 2007
Seit einer Woche schleppe ich mich von einem Tag zum nächsten. Die Flashbacks sind schlimmer als je zuvor, was heißt, dass ich entsprechend unkonzentriert kontrollierte. Ich weiß, dass das mit dem Vorfall mit Robin zu tun hat. Es wird eine Weile dauern, bis ich es verdrängen kann, doch irgendwann wird es mir leichter fallen. Dann werde ich wieder alles ganz normal kontrollieren können und nur noch eine halbe Stunde statt drei Stunden zu spät kommen.
Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob es wirklich hilfreich ist, nach Hause zu kommen und über Zwangsstörungen zu lesen. Die medizinischen Begriffe erinnern mich ans Krankenhaus, und daran möchte ich eigentlich nicht denken. An so viel erinnere ich mich ohnehin nicht. Ich habe das Gefühl, als sei das alles einer anderen passiert. Als sei ich eingeschlafen, als es mir zu viel wurde, und etwa anderthalb Jahre später mit dem dumpfen Gefühl wieder aufgewacht, noch am Leben zu sein Alles, was ich dann noch tun musste, war, einen Schritt vor den anderen zu setzen und nicht zurückzuschauen. Ich musste aufhören, das ganze Zeug zu lesen, und endlich was Konstruktives tun.
Ich höre, dass Stuart spätnachts nach Hause kommt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich daliege und regelrecht darauf warte, seine Schritte auf der Treppe zu hören. Ich weiß, dass er versucht, die Treppe möglichst leise hinaufzuschleichen, aber ehrlich gesagt würde ich es so oder so mitbekommen. Ich fühle mich sicherer, wenn ich ihn an meiner Tür vorbeigehen höre, denn dann weiß ich, dass die Haustür richtig zu ist. Sobald er vorbeigegangen ist, kann ich einschlafen. Doch manchmal wird es fast Mitternacht. Er muss völlig übermüdet sein.
Heute bin ich auf meinem Nachhauseweg an der Stadtbücherei vorbeigegangen. Überall brannte Licht, und die Türen öffneten sich automatisch, sodass es wirkte wie eine Einladung. Normalerweise meide ich solche Orte, öffentliche Plätze, doch irgendetwas zog mich hinein. Es waren nur wenige Menschen dort. Ein paar Studenten an den Tischen, ein paar Leute am Internetpoint, zwei Mitarbeiter stempelten Bücher ab und flüsterten laut miteinander.
Ich lief ziellos herum, bis ich die Abteilung Psychologie fand. Ich sah die Titel durch, wollte wissen, ob irgendwas über Zwangs störungen dabei war. Ich erkannte den Titel eines Buches wieder, das Stuart mir empfohlen hatte, und fuhr mit dem Finger am Buchrücken entlang.
Es war sehr still hier. Ich zog einen Band über Ängste heraus und sah mir die Kapitelüberschriften an. Nicht gerade aufbauend. Dann hörte ich ein Geräusch hinter mir und sah mich um. Von meinem Platz zwischen den Bücherregalen aus konnte ich niemanden entdecken, keine Menschenseele.
Ich stellte das Buch zurück und kehrte ans
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