Wohin mit mir
man ihn in der heiligen Stadt nannte, dem alles im leichtlebigen Rom Gift und Ekel war.
Dann reden wir über den Sammler Goethe, der hier annähernd zweihundert Gemmen erwirbt, Kupferstiche und Zeichenblätter der Malerfreunde kauft, Tischbein verschafft ihm eine Reihe Kopien, nach den besten Meistern …, nicht weniges bekommt er auch geschenkt, so von Hofrat Reiffenstein eine Mappe mit Radierungen von Claude Lorrain.
Danach wieder zurück unter meine Platane. Fortsetzung der Lektüre. Von einem Spaziergang mit Tischbein berichtet Goethe: Auf den Ruinen des Neroni
schen Palastes gingen wir durch frisch aufgehäufelte Artischockenländer, und konnten uns nicht enthalten die Taschen vollzustecken, von Granit, Porphyr und Marmortäfelchen … Im aufgeschüttete Erdreich , wo auf Trinita di Monte … der Grund zum neuen Obelisk gegraben wird, findet Goethes Perückenmacher … im Schutte ein flach Stück gebrannten Ton mit einigen Figuren … Ich eigne es mir zugleich zu . Der heute auf der Piazza Montecitorio stehende Obelisk lag zu Goethes Zeit zerbrochen zwischen Schutt und Kot in einem Hofe . Aus echtesten Ägyptischen Granit ist er gehauen und überall mit zierlichen naiven Figuren … übersäet … Bequem nah hat Goethe vor Augen … was sonst gegen die Wolkenregion hinaufgerichtet war. Er ist fasziniert: Ich lasse jetzt eine Sphinx der Spitze, und die Gesichter von Sphinxen, Menschen und Vögeln abformen und in Gyps gießen.
Diese unschätzbaren Sachen muß man besitzen … Habsüchtig werde man darnach schreibt er ; man verlangt solche Gebilde neben sich aufzustellen, und gute Gypsabgüsse, als die eigentlichen Faksimiles geben hiezu die beste Gelegenheit. Den ersten Platz behauptet – wie wir schon wissen – die Juno Ludovisi. Aber auch einen kolossalen Kopf eines Jupiter hat er sich angeschafft. Er steht meinem Bette gegenüber wohl beleuchtet, damit ich sogleich meine Morgen-Andacht an ihn richten kann. Ebenso bedeutsam ist ihm ein Abguß der Medusa Rondanini, den Zwiespalt zwischen Tod und Leben, zwischen Schmerz und Wollust ausdrückend.
Ich muß eingeschlafen sein (das Nachholen des durch den ausgelösten Alarm versäumten Nachtschlafs). Ein wütendes Kläffen weckt mich. Ein kleiner brauner Spitz. Vor ihm, er hat es wohl gerade fallen lassen, aufgeschlagen mein Buch. Ich stehe auf, er packt es erneut, schüttelt es heftig. Das Pfeifen seines Herrn scheint ihn nicht zu kümmern. Als ich auf ihn zugehe, läßt er es los und rennt davon. Ich hebe es auf, die Spuren der kleinen Zähne auf den Buchseiten.
Ich kehre zu meiner bequemen Lage zurück. Die völlig verbrannte Rasenfläche ist schon im Schatten. Ich lege die Hände in den Nacken. Über mir im Geäst die gezackten, dunkelgrünen Blätter im Wipfel von den letzten Strahlen der Sonne angeleuchtet. Die Hitze des Tages hat nachgelassen und die Hundebesitzer mit ihren Tieren herausgelockt. Kleine und große Hunde, es werden immer mehr, eine Parade geradezu. Einen Windhund und einen Dalmatiner kann ich in der Ferne ausmachen, ganz nah einen häßlichen Bullterrier, einen Malteser mit einem roten Schleifchen im Fell und einen Weimaraner. Ein schöner Golden Retriever spaziert vorbei und ein weißer Kanaan. Und dann, auch ganz nah, meine nordischen Lieblinge, zwei Huskys, eine Hündin mit ihrem Nachwuchs. Überall Begrüßungen der Vierbeiner, Jagen, Spiel, Rivalitäten, Gebell. Obgleich ich den kleinen braunen Spitz nicht mehr sehen kann, vermeine ich, sein Kläffen aus dem Hundechor herauszuhören.
30. August
Es gab viel zu lachen heute. In der Nacht Gewitter. Am Morgen starke Regengüsse. Alle drei Frauen, die zu Fuß beziehungsweise mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen, erreichen die Casa völlig durchnäßt; Wasser tropft aus ihren Kleidern. Ich öffne meinen Schrank, Frau Bongaerts paßt die dünne schwarze Hose, Frau Hock nimmt das Oberteil dazu. Frau Crea preßt sich in einen meiner hellen Pullover. In diesem Aufzug wird die sich für 11 Uhr angesagte Korrespondentin der »Welt« empfangen. Als sie geht, ruft man mich kurz, weil sie mich begrüßen möchte; sie sagt mir, daß sie gerade »Ich bin nicht Ottilie« lese.
1. September
Am Morgen mit der Metro zur Station Garbatella. Über das Gelände des Großmarkts; ich wate durch Obst- und Gemüsereste, hinter mir schieben Bulldozer die Abfälle zusammen. Das Museum »Maschinen und Götter«. Ein verfremdender Ort. In einem ehemaligen Kraftwerk zwischen Turbinen und
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