Wohin mit mir
Schweine verwandelt, er aber widerstand den Zauberkünsten Kirkes und erhielt von ihr Rat, wie er nach Hause zurückkehren könne.
Ich genieße die Begegnungen des Zufalls. Die mit dem jungen italienischen Paar im Hotel, der Mann über und über tätowiert, ihr zärtlicher Umgang mit ihrem Söhnchen, das gerade laufen lernt. Das Angesprochenwerden von der aparten Jugoslawin, die sich offenkundig mit ihrem deutschen Mann langweilt; mehrfach lädt sie mich zu Ausflügen ein. Einmal fahre ich mit ihnen nach San Felice und zum Monte Circeo, aber der Mann fügt beim Rückwärtseinparken seinem weißen Mercedes eine Beule zu, er gibt seiner Frau die Schuld, ich werde Zeuge eines unangenehmen Ehestreites.
Das Schwedisch, das meine Ohren trifft. Die Musikalität, die rhythmischen Hebungen und Senkungen, die Sprache wird mir sofort zum Sehnsuchtsraum. Zwei italienbegeisterte Südschweden. Hier, sagen sie, hätten sie in wenigen Tagen mehr Kunstwerke gesehen als in ihrem ganzen Leben in ihrer Heimat. Lappland? Erstaunen. Sie amüsieren sich über mein Schwärmen. Ob sie dort gewesen seien? Verächtliche Geste, wegwerfende Handbewegung, nein, wer ginge da freiwillig hin, da sei die Welt doch zu Ende.
Und die Gespräche mit dem Wirt der Gaststätte Torre di Truglia, die den Namen der ihr zu Füßen liegenden Festung trägt. Stets unterhält Antonio Toscano seine Gäste, scherzt. Weist mit Armbewegungen weit
aufs Meer hinaus, dorthin sei er heute im Morgengrauen mit seinem Boot gefahren, um die Fische zu fangen, die jetzt in der Pfanne brutzeln. Gaumenkitzelnd weiß er im voraus und dann beim Servieren seine Köstlichkeiten in Szene zu setzen.
Antonio ist in Sperlonga geboren. Einmal erzählt er vom Ende des Zweiten Weltkrieges, wie er als Fünfjähriger mit seinen Eltern und anderen Bewohnern beim Herannahen der Alliierten in die Berge geflüchtet sei. Nur die Großmutter habe sich geweigert mitzukommen. Arglos, mit offenen Armen sei sie den Soldaten entgegengegangen; vermutlich habe man ihre Frauenkleider für eine Tarnung gehalten, man habe ohne Vorwarnung geschossen. Sie sei eines der wenigen zivilen Opfer des Kriegsendes in Sperlonga.
Auf dem kleinen Friedhof suche ich ihr Grab. Alexandra Toscano steht auf dem Stein. Auch ihr Haus, in dem der Enkel aufgewachsen ist, finde ich.
Sperlonga, von lateinisch spelunca = Grotte, war ursprünglich ein Fischerdorf, es wurde im Mittelalter auf einem steilen, sechzig Meter hohen Felsen über dem Meer erbaut. Abend für Abend steige ich hinauf. Treppen, Hunderte Stufen, pittoreske Winkel, schief stehende, übereinander gebaute, verschachtelte Häuser und Wohntürme. Abenteuerlich enge Gassen, zuweilen haben sie nur die Schulterbreite eines starken Mannes, ich muß die Arme anwinkeln, wenn ich mit den Händen rechts und links die Hausmauern berühre. Geruch nach Abwasser, faulendes Mauerwerk; Wäsche flattert, Küchendünste, Musik, Kindergeschrei. Familien, die ihre Mahlzeiten auf an Häusern wie Schwalbenne
ster klebenden Balkonen einnehmen oder auf an den Dachfirst des nächsten Hauses grenzenden winzigen Terrassen.
Oben angelangt, laufe ich den Corso San Leone entlang zur Piazza della Repubblica. Alte Männer mit Schiebermützen und trotz der Wärme mit Westovern spielen Boule. Frauen mit dunklen Kopftüchern sitzen schwatzend auf den Bänken. Vom Belvedere aus der Blick auf das postkartenblaue Meer. Und, bereits am ersten Abend, eine große Überraschung, noch nie gesehen: riesige Granatäpfelbäume unterhalb des Belvedere mit schweren, leuchtend roten Früchten. Jedesmal bei ihrem Anblick mein kleiner Lustschrei; niemand hört ihn, und wenn, niemand würde ihn verstehen, diese berauschenden Schönheiten sind für die Bewohner hier ganz gewöhnliche Straßenbäume.
17. September
Heute endlich der Entschluß, die Zona Archeologica, die Grotta di Tiberio und das Museo zu besuchen. Habe ich mich nicht auch deshalb für Sperlonga entschieden, weil es hier die aufsehenerregendsten archäologischen Funde des 20. Jahrhunderts geben soll.
In der Buchhandlung an der Piazza Montecitorio der Vortrag von Professor Bernard Andreae. In fast vierzigjähriger Arbeit sind zwei Marmorkopien antiker Figurengruppen wiedererstanden.
Gleich nach Schwimmen im Meer und Frühstück mache ich mich auf den Weg. An Torre Truglia und Hafen vorbei, immer den Strand, den Spiaggia di Levante, entlang. Der Weg am Meeressaum, ein leicht verschlei
erter Septembermorgen, gedämpftes Licht, das weiche
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