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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Damm
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Tötungsmaschine verwandelt. Es ist die allerletzte Botschaft, die von Che
aus den bolivianischen Bergen kommt, im Sommer 1967 wird sie in Havanna öffentlich verlesen.
    Das Poster auf der Erde. Che Guevaras: Es gibt kein Leben außerhalb der Revolution . Wußte der seit der Kindheit unter schwerem Asthma Leidende als ausgebildeter Mediziner, daß die starken Medikamente sein Herz schädigen, ihm kein langes Leben beschieden sein würde? Verabsolutierte er seine existentiellen Erfahrungen in der Sierra Mestra? War seine Achillesferse , wie Fidel Castro sagte, seine übermäßige Kampfbereitschaft ?
    Sein für mich berührendstes Dokument bleibt bis heute sein »Bolivianisches Tagebuch«. Es ist seine menschlichste Aussage, alle Rhetorik, aller Schein ist verschwunden, es ist das Dokument der revolutionären Tragödie. Der letzte Eintrag vom 7. Oktober 1967, kein Wasser, keine Medikamente, völlige Isolierung der wenigen Kämpfer in einem unwegsamen Gebiet; der Ring der bolivianischen Armee wird immer enger. Ernesto Che Guevara bewegt sich auf seinen Tod zu.  
    Hat dieser Tod seinem Leben den Sinn gegeben? Ist er die Auferstehung ? Giangiacomo Feltrinellis Che lebt . Das Plakat, seine Verführung. Sind es die Augen? Ist es diese seltsame Mischung von Rebellion und Jugendlichkeit, von Militanz und Sehnsucht, von Entrücktheit und Entschlossenheit?
    Der Händler, ein junger Schwarzhäutiger, berührt mich am Arm. Ich habe schon zu lange hier gestanden. Er zeigt auf das Plakat, macht die Bewegung, ob er es zusammenrollen solle. Ich schüttle den Kopf, kaufe
ihm eine Sonnenbrille ab, die ich nicht brauche. Danke ihm, gehe weiter.
     
    18. Dezember
    Tobias ruft an, seine Abfahrt verzögere sich, die Winterreifen seien bereits aufgezogen, aber das Auto verliere Öl, er müsse morgen nochmals in die Werkstatt. Der rote Passat, der schon über hunderttausend Kilometer gefahren ist, wird er die zweimalige winterliche Alpenüberquerung noch schaffen?
     
    19. Dezember
    Ausflug mit Ursula Bongaerts und einer Kunsthistorikerin aus Weimar nach Olevano. Ein wunderbarer Tag: Agaven, Tamarisken, gute Gespräche, sonnenbeschienene Mauern, frühlingshaft schmeichelnde Luft.
     
    20. Dezember
    Abschied von Baschal. Er erzählt vom Tod der Nonne, die, und sei es nur für einen Tag, das neue Jahrhundert erleben wollte. Gott habe ihr Gebet nicht erhört.
     
    In den letzten Tagen meine mehrfachen vergeblichen Anrufe bei Fulio und Anna. Heute eine Karte, sie sind bereits zu Sohn und Schwiegertochter gefahren, um das Weihnachtsfest mit ihnen zu verbringen. Ich trage ein kleines Päckchen mit einem Abschiedsgeschenk zur Post.
     
    21. Dezember
    Ausstellungseröffnung: Handzeichnungen von Goethe und seinen Zeitgenossen.
     
    22. Dezember
    Anruf von Tobias, er stehe in der Höhe von Bologna im Stau.
    16 Uhr seine Ankunft. Wir bringen das Auto in das unterirdische Parkhaus, finden den Ausgang zum Park der Villa Borghese nicht. Durch eine häßliche Betonröhre gelangen wir in einem Strom von ebenfalls Parkenden in der Nähe der Spanischen Treppe wieder an die Oberfläche. Wir werden entschädigt: Sonnenuntergang vor der Kulisse der Kuppel von San Pietro in Vaticano. Es ist empfindlich kalt geworden. Durch die von Besuchern volle vorweihnachtlich aufgeregte Stadt. In der Via dei Santi Quattro in der Nähe des Kolosseums – ich war mit Bettina schon hier – essen wir bei Pasqualino. Der Appetit des Alpenüberquerers. Dann der Heimweg. Die Via del Corso in vollem Weihnachtsschmuck der Lichterketten. Zeitiges Schlafengehen. Tobias schließt die hölzernen Fensterläden, die scuri .
     
    23. Dezember
    Schon die zweite Nacht ein ungutes Geräusch im Flur. Gestern versuchte ich es zu übertönen, indem ich mir die kleinen Wachspfropfen in die Ohren drückte. Aber es half nichts. Ich stand auf und sah nach. Es war die Klimaanlage, ihr sonst fast unhörbares, allenfalls leises Summen war von einem in Abständen heftigen Schlagen abgelöst. Die Stelle an der Flurdecke ließ sich ge
nau lokalisieren. Beunruhigt teilte ich es am Morgen Domenico mit. Es hänge mit der niedrigen Außentemperatur zusammen, die Lüftung habe einfach mehr zu tun. Es will mir nicht einleuchten, wir hatten im Dezember schon kältere Tage. Heute nochmals ein Vorstoß, diesmal im Sekretariat. Die Chefin ist schon in Deutschland. Ob man nicht einen Techniker kommen lassen könnte. Achselzucken. Domenico Martilli kenne sich bestens aus, er werde schon recht haben.
    Am Morgen mit

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