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Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)

Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)

Titel: Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Bonyhady
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Anne erinnerte sich, dass sie beide zurückerhielt. Nachdem sie erklärt hatte, hier seien Verwandte dargestellt, habe Zykan gemeint, die »alten Juden« könnten gehen.
    Klimt war der zweite von Moriz und Hermine gesammelte Künstler, dessen Werk in Österreich nach dem »Anschluss« großes Renommee genoss. Das erste Buch über Klimt seit über zwanzig Jahren erschien 1942 in Wien, und 1943 initiierte der neue Gauleiter Baldur von Schirach in der Secession die bis dahin umfangreichste Klimt-Ausstellung. Doch sogar seine größten Bilder erzielten nicht dieselben Preise wie weitaus kleinere von Waldmüller. Manche Nazis verabscheuten Klimt auch wegen seiner Modernität und seiner Abhängigkeit von jüdischen Gönnern. Die Secession versuchte daraufhin, solche Beziehungen zu kaschieren; Klimts erstes Porträt der Adele Bloch-Bauer wurde in »Damenbildnis in Gold« und das zweite in »Bildnis einer stehenden Dame« umbenannt.
    Diese nicht durchgehende Anerkennung für Klimt wurde schlagend, wenn Flüchtlinge mit seinen Werken ausreisen wollten. Die Gestapo und das Finanzamt beschlagnahmten zwar oft seine Gemälde und Zeichnungen, doch nur als Vermögenswert, um einen Teil der Steuern abzutragen, die man den Juden auferlegt hatte. Die Zentralstelle für Denkmalschutz zeigte kein besonderes Interesse an Klimt und scheint – obwohl er, da im Jänner 1918 gestorben und somit schon länger als zwanzig Jahre tot, unter die Gesetze zum Schutz österreichischen Kulturgutes fiel – seine Werke völlig ignoriert zu haben; vielleicht betrachtete man ihn noch als zeitgenössischen Künstler, für den man nicht zuständig war. Aufgrund dieser Vorgangsweise erlaubte Otto Demus Käthe, das Bildnis von Hermine mitzunehmen; sie brauchte nicht erst groß Hermines jüdische Herkunft herauszustreichen oder das Bild als Familienporträt zu bezeichnen. Einen Klimt auszuführen war so einfach wie bei den Papierkörben und Fußmatten, die Gretl und Käthe ebenfalls mitnahmen.
    Auch mit der Hoffmann-Sammlung ging alles glatt. Die Zentralstelle beachtete die Möbel nicht und behandelte sie als gewöhnliche Haushaltsgegenstände statt als Kunstwerke. Das Silber wurde etwas genauer unter die Lupe genommen, doch dann wurde die Ausfuhr bewilligt. Obwohl die Nazis Hoffmann bewunderten – er wurde später zum Sonderbeauftragten des Kulturamtes für die künstlerische Neubildung des Wiener Kunsthandwerks ernannt und damit betraut, die deutsche Botschaft in Wien in ein »Haus der Wehrmacht« umzugestalten –, betrachtete man sein Werk als zeitgenössisch und somit außerhalb des Zuständigkeitsbereichs.
    Bei Schmuck gingen die Nazis anders vor; Flüchtlingen wurde es verboten, ihre Kollektionen mitzunehmen. Gretls Stücke waren lange nicht so spektakulär wie die Käthes, aber dennoch sehr wertvoll. Die Liste der dreißig besten Stücke, die sie nach der Verordnung für die Registrierung jüdischen Eigentums übergab, begann mit einem Platinring mit Diamanten und setzte sich fort mit einer goldenen Handtasche, besetzt mit drei Diamanten und vier Rubinen, einer langen Perlenkette, goldenen, mit Perlen und sieben kleinen Diamanten verzierten Ohrringen und einem Goldring mit Perlen und Diamanten. Obwohl sie sich als Besitzerin kenntlich gemacht hatte, hoffte Gretl dennoch, damit ausreisen zu können. Die Nazis, so nahm sie an, würden den Schmuck nicht vermissen, falls sie ihn nicht finden konnten.
    Zuerst benötigte sie einen sicheren Ort in Wien, falls die Gestapo ihre Wohnung durchsuchte. Sie musste jemand Vertrauenswürdigen finden, der nicht unter die Bestimmungen der Nürnberger Gesetze fiel. Dabei hatte sie wenige Möglichkeiten, da ihre meisten »arischen« Freunde sie nach dem »Anschluss« im Stich gelassen hatten, darunter Carl Moll, der ein glühender Nazi wurde. Es war allgemein bekannt, dass er die Sammlung seiner Stieftochter Alma Mahler geplündert hatte, nachdem sie 1938 mit ihrem dritten Ehemann, dem jüdischen Schriftsteller Franz Werfel, geflüchtet war; wie er die Gallias behandelte, war nicht weniger schockierend. Obwohl Moriz und Hermine seine wichtigsten Gönner gewesen waren und er Ernis Pate und Ernis, Gretls und Käthes »Onkel Carl« war, brach er jeden Kontakt zu ihnen ab.
    Drei Schwestern – Assunta, Marlene und Gilda Moll, mit Carl nicht verwandt – verhielten sich ganz anders. Sie hatten Gretl in Bad Hall kennengelernt, einem Kurort nahe von Linz, den sie mit Annelore 1925 aufgesucht hatte, um deren Keuchhusten

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