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Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)

Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)

Titel: Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Bonyhady
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waren. Die bemerkenswerteste Enthüllung hatte mit einem Porträt von Schieles Geliebter Wally Neuzil zu tun, das sich zur Zeit des »Anschlusses« in der Privatsammlung der Wiener Kunsthändlerin Lea Bondi befunden hatte. Dobrzynski berichtete, dass Leopold, als er in den 1950er Jahren seine Sammlung aufzubauen begann, Lea Bondi in London besucht hatte, um sie um Hilfe bei der Auffindung von Schiele-Bildern zu bitten. Als sie wiederum Leopold bat, ihr bei der Wiedererlangung des »Bildnis Wally« behilflich zu sein, das die Österreichische Galerie nach dem Krieg auf ungesetzliche Weise erworben hatte, tat das Leopold nicht, und nicht nur das: Im Tausch gegen Bilder in seinem Besitz sicherte er sich das Gemälde selbst.
    1976 hatte Anne von alledem keine Ahnung. Für sie war Leopolds Besuch einfach eine Freude, ein »Lichtblick«, und deshalb lud sie ihn auch ein, bei ihr zu wohnen, ohne zu bedenken, dass sie dann nicht aus einer gewissen Distanz über die Bilder verhandeln konnten. Sie rief aber auch Wolfgang Fischer in London an, der sein Angebot erhöhte, was Leopold ebenfalls zu einer neuerlichen Erhöhung bewog. Vier Tage später rief er noch zweimal an. Anfang Dezember kam er, und zu Weihnachten fanden Anne und er sich vor Gericht.
    Laut einer eidesstattlichen Erklärung Leopolds hatte er bereits vor seinem Eintreffen in Sydney mit Anne vereinbart, für die Bilder zwischen 65.500 und 72.500 Schweizer Franken zu bezahlen. Der endgültige Preis würde dann auf seiner Einschätzung beruhen, nachdem er die Originale in Sydney gesehen und deren Zustand geprüft hatte. Wollte man Leopold glauben, dann hatten sich Anne und er auf 67.750 Franken geeinigt, ohne dass er die Bilder noch richtig in Augenschein genommen hatte, und erst nachdem sie beide einen Vorverkaufsvertrag unterzeichnet hatten, habe sie ihm erlaubt, »sie genauer zu begutachten«. Falls Leopold einem solchen Übereinkommen zugestimmt hatte, dann deshalb, weil er wusste, er würde die Bilder so billig bekommen, dass es egal war, ob er sie näher untersuchte. Der Vertrag wurde von Leopold am 5. Dezember handschriftlich auf Deutsch aufgesetzt und umfasste kaum mehr als eine halbe Seite. Er hielt fest, dass Anne zehn Bilder verkaufte: den Schindler, den Ribarz, zwei Moll, zwei Landschaften von Stöhr, beide Hafenszenen von Kurzweil, die Andri-Landschaft und das russische Aquarell von Konstantin Somoff, den Leopold fälschlich als »A. Canobz« bezeichnete, da er die kyrillisch geschriebene Signatur Somoffs falsch gelesen hatte – das deutet darauf hin, dass er keine Ahnung hatte, was er da kaufte. Leopold sollte die Bilder nach Wien mitnehmen und noch vor Ablauf des Monats Anne 67.750 Schweizer Franken zahlen. Am Ende des Dokuments hieß es: »Ihr Einverständnis mit allem obigen bezeugen durch ihre nachstehenden Unterschriften: ...« Nachdem Leopold es unterzeichnet hatte, unterschrieb auch Anne.
    Leopolds eidesstattliche Erklärung lässt vermuten, dass Anne von Anfang an mit dem Vertrag unzufrieden war; das passt zu Bruces Erinnerung, dass Leopold Anne drängte, ihn zu unterschreiben. Da sie ihn die Bilder nicht mitnehmen lassen wollte, bevor sie das Geld erhalten hatte, erklärte er sich einverstanden, dass sie die Bilder behielt, bis sie bezahlt waren, doch dann wollte er auf dieser Basis nichts mehr unternehmen, da er ihr nicht traute. Binnen kurzer Zeit hatte er einen Anwalt gefunden und drohte, ein Verfahren einzuleiten, das Anne zwingen würde, dem Vertrag nachzukommen; Annes Anwalt wiederum bestritt, dass dieser bindend sei, und empfahl, Leopolds Anwälte sollten die australischen Devisenbestimmungen beachten, die Geschäfte in ausländischen Währungen wie Schweizer Franken ohne Genehmigung der australischen Reserve Bank untersagten. Leopold gewann den Prozess nicht, wie er in seiner Biografie behauptete; stattdessen kam es zu einem Vergleich, wobei er sich bereiterklärte, 25 Prozent mehr für die Bilder zu bezahlen.
    Der bemerkenswerteste Aspekt dieser Episode betrifft ein Ferngespräch von Wolfgang Fischer in London Anfang Dezember; er hoffte, Anne überzeugen zu können, ihm die Bilder zu verkaufen. Leopold hatte in seiner eidesstattlichen Erklärung versichert, er sei eines Abends allein in Annes Wohnung in Sydney gewesen, als das Telefon läutete und er sich entschloss, es abzunehmen. Er berichtete: »Ich sprach mit jemandem, von dem mir klar wurde, dass es Fischer war.« Leopold wusste jedenfalls, dass Fischer die Bilder kaufen wollte.

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