Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)
Christie’s, nachdem das Gemälde begutachtet worden war, lag bei 15.000 bis 20.000 Guinees, viel mehr, als man Anne bei ihrem Besuch in England angegeben hatte. Die Londoner Kunsthändler Harry und Wolfgang Fischer kauften es für 20.000 Guineen, ein Weltrekord für einen Klimt.
Annes Abscheu vor beinahe allen Einrichtungsgegenständen in der Wohnung in Cremorne wird erstmals in einem Brief an George Turner aus dem Jahr 1948 offenkundig. Sie fragte, ob George sich an die Hoffmann-Möbel erinnerte: »Vielleicht erinnerst Du Dich, dass es riesige Dinger sind, sehr schwer sauber zu halten. Nun, wir haben das ganze Zeug hier, und die Zimmer in Sydney sind nicht die allergrößten. Also fühle ich mich, als würde ich in einem Möbelhaus wohnen oder noch ärger. Die meisten Schränke sind voll, entweder mit nutzlosen Sachen oder viel zu viel von demselben.« Ihre Ansicht änderte sich auch mit den Jahren nicht. Während ihrer Ehe mit Eric verkaufte sie eine der Silberbesteckgarnituren und ersetzte sie durch rostfreien Stahl, da das Silber »so viel Arbeit beim Putzen macht«. Außerdem verkaufte sie zwei der Hoffmann-Sessel und erwarb leichtere »Fler«-Stühle, entworfen von Fred Lowen, ebenfalls Flüchtling und in den 1950er Jahren Avantgarde-Designer in Australien. Da der einzige noch existierende Hoffmann-Tisch aus dem Salon für diese niedrigen Stühle zu hoch war, bat sie Bruce Ende der 1960er Jahre, die Beine abzusägen.
Als Gretl 1971 dann den Schlaganfall erlitt, wollte Anne alles loswerden. Doch die Wohnung leer zu bekommen, war alles andere als einfach, da die Möbel in Sydney kaum Interesse fanden, obwohl ihr Wert international im Steigen war. Als ein führender Auktionator die Wohnung inspizierte, meinte er zu Anne: »Es wird Sie eine Menge kosten, das alles loszuwerden.« Sie setzte ihre Hoffnung auf Melbourne und die National Gallery von Victoria, das einzige australische Museum mit einer bedeutenden europäischen Sammlung. Als sie sich Anfang 1972 an die Galerie wandte, schrieb sie: »Meine Mutter und meine Tante geben ihre Wohnung in Sydney auf, in der sie einige von Prof. Hoffmann aus der Wiener Werkstätte entworfene Möbel, viel Wiener Glas und Silber und etliche Gemälde aufbewahren. Sie möchten den Inhalt ihrer Wohnung verkaufen. Ich würde gerne wissen, ob die Galerie daran interessiert wäre, sich diese Objekte anzusehen und eventuell einige davon zu erwerben.«
Die Galerie konzentrierte sich auf die Wiener-Werkstätte-Sammlung. Nachdem drei Kuratoren die Wohnung in Augenschein genommen hatten, ersuchte man Anne sofort um das »Vorkaufsrecht«, denn die Hoffmann-Sammlung sei »von großer Bedeutung« und die Galerie »der beste Ort in Australien dafür«. Doch obwohl Gretl bald in einem Pflegeheim untergebracht war, wurde aus dem Verkauf einstweilen nichts, da Kathe in der Wohnung blieb und ihre Besitztümer um sich haben wollte. Anne sah sich unterdessen in Europa um andere potenzielle Käufer um und war überrascht, wie hoch Hoffmann inzwischen gehandelt wurde; die Jahrhundertwendeabteilung des Museums für angewandte Kunst in Wien war eine Offenbarung für sie. Ein Musterbuch mit Stoffmustern der Wiener Werkstätte war, wie Anne bemerkte, »genau wie unseres« – zum ersten Mal sah sie, dass Sachen in den Schränken in der Wohnung, die sie als »nutzlos« abgetan hatte, in einem Museum ausgestellt waren.
Die letzten Jahre Gretls und Kathes waren umso elender, da sie nach wie vor übereinander herfielen und trotzdem ohne einander nicht auskommen konnten. In einem Brief an Kathe kurz nach ihrem Umzug in das Pflegeheim in Armidale bemerkte Gretl spitz: »Niemand widerspricht mir hier oder bezeichnet mich vor anderen als Idiotin!« Der Schmerz, den sie sich zufügten, indem sie einander wie seit Mädchentagen niedermachten, wurde in einem weiteren Brief noch deutlicher, in dem Gretl versprach, sich nicht mehr über Kathes Aussehen und Sprechweise lustig zu machen, sie aber gleichzeitig aufforderte: »Und Du bist nie wieder so gemein und sagst, dass Du mich nach Callan Park schickst«, eine Anspielung auf die Nervenheilanstalt in Sydney. Trotzdem schrieben Kathe und sie einander beinahe täglich, bis Gretl 1975 starb.
Nach Kathes Tod 1976 überwältigte und bedrückte Anne die Verantwortung, alles zu ordnen. Der erste Schrank in der Wohnung, den sie aufmachte, war so voll, dass der Inhalt beim Öffnen auf den Boden quoll, worauf sie in Tränen ausbrach. Bei etlichen der anderen Schränke war
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