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Wohnraum auf Raedern

Wohnraum auf Raedern

Titel: Wohnraum auf Raedern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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schwarzen Helmen. Die Fenster sind beleuchtet. Im Bolschoj-Theater wird ein Kongreß abgehalten.
    Das andere Große Theater sieht so aus: Zur Lie b lingsstunde der Muse des Theaters, um halb acht, gibt es weder einen leuchtenden Stern noch Fahnen, noch lange Ketten von Wachsoldaten auf dem Platz. Der Riesenbau des Bolschoj steht, wie er Jahrzehnte stand. Zwischen den Säulen schwacher gelblicher Lichtschein. Freundliche Theaterlichter. Schwarze Figuren strömen zu den Säulen. Etwa zwei Stunden lang drängen sich im halbdunklen Saal auf den Rängen die Köpfe. In den Logen sieht man auf dunklem Hintergrund Reihen heller Dreiecke und die Rhomben der beiseitegezog e nen Vorhänge. Über den Stoff fließen Wellen von Licht, und mit Bläsergedröhn und tosenden Chören erklingt der Triumph des Radamès. In den Pausen erstrahlt das Theater im rotgoldenen Lichterglanz und wirkt genauso festlich wie früher.
    In der Pause raschelt der rotgoldene Saal. Im ersten Rang ondulierte Locken auf Frauenköpfen. Die Herren in Zivil sitzen mit übereinandergeschlagenen Beinen und schauen wie hypnotisiert auf ihre lackierten Schu h spitzen (auch ich habe mir lackierte Schuhe gekauft). Die Würde der kurzen Pause wird nur von einem NEP-Fräulein unterbrochen. Sie beugt sich über die Loge n brüstung im ersten Rang und ruft, die Hände vor den Mund gelegt, durch den ganzen Saal: »Dora, komm zu uns herüber! Mitja und Sonja sind in unserer Loge!«
    Am Tage steht das Bolschoj-Theater gelb und schwer, mit abgewetzten Mauern, an denen der Verputz bröckelt. Die Straßenbahnen machen um das Malyj-Theater einen Bogen und fahren auf das Bolschoj zu. Im Kaufhaus Mjur & Merelis gehen hinter den riesigen Fensterreihen die Lichter an, kaum daß es zu dämmern beginnt. Am Dachfirst ist ein rundes Schild mit der Aufschrift »Staatliches Warenhaus« angebracht worden. Im Mittelpunkt des Schildes brennt abends eine La m pe. Über dem Neslobinskij-Theater sieht man zwei leuchtende Zeilen: »Heute fünfundzwanziger Bankn o ten!« Sie verlöschen und flammen wieder auf. In der Stoleschnikowgasse sind wacklige Zeilen auf eine Lei n wand geschrieben: »Warum wir ihnen raten, Schuhe nur im ... zu kaufen.« Auf dem Strastnaja-Platz ist auf einem Dach eine Leinwand, darauf – Bekanntmachu n gen, mal in Farbe, dann wieder schwarzweiß, sie fla m men auf und verlöschen. Auf demselben Platz an einer anderen Ecke leuchtet eine Kuppel auf, wird dunkel, leuchtet wieder auf, wird dunkel – »Reklame«.
    Immer mehr dieser flimmernden Lichter tauchen auf, in der Twerskaja, Mjasnizkaja, auf dem Arbat, in der Petrowka. Moskau erstrahlt mit jedem Tag noch heller. Die Auslagen der Geschäfte sind die ganze Nacht beleuchtet, in manchen ist auch tagsüber das Licht eingeschaltet. Die Lebensmittelgeschäfte des Moskauer Nahrungsmitteltrusts sind bis Mitternacht geöffnet.
    Moskau schläft jetzt auch bei Nacht, ohne seine Lichteraugen zu löschen.
    Am Morgen erwacht die Stadt mit Pfeiftönen und Geklingel, Ströme von Fußgängern ergießen sich über die Trottoirs. Lastautos bahnen sich schlingernd und kettenrasselnd auf dem brüchigen zerfahrenen Schnee ihren Weg. An klaren Tagen fliegen von der Chodynka her brummende Flugzeuge. Wie früher hüpfen Str a ßenbahnen aus der Mjasnizkaja und Bolschaja Ljub-janka heraus und ziehen auf dem Ljubjanka-Platz ihre Kreise. Am Denkmal des Buchdruckers Fjodorow an der alten schartengedeckten Mauer vorbei fahren sie hügelabwärts zum »Metropol«. Die trüben Scheiben im Erdgeschoß des »Metropol« sind heller geworden, als hätte man eine Schmutzschicht entfernt, und geben nun den Blick frei auf lange Reihen farbiger Buchu m schläge. Abends strahlt eine vielfarbige Kugel über der Einfahrt: »Staatskino II«.
    Gegenüber, auf der anderen Seite des Platzes, ist ganz unerwartet Testow wiederauferstanden und hat in der Einfahrt ein Kärtchen ausgehängt: Suppe nach Bauer n art. Am Ochotnyj Rjad sind die Schilder so riesig, daß sie die kleinen Läden fast erdrücken. Das Kirchlein Paraskewa-Pjatniza jedoch sieht traurig und düster aus. Es soll abgerissen werden. Das ist schade. Was hat di e ser enge Durchlaß zwischen den Auslagen der Metzger und den Bücherantiquariaten auf der einen Seite und der bis in die Straßenmitte vorgeschobenen weißen Seitenfront des Kirchleins nicht schon alles gesehen.
    Die Kapelle, die auf dem kleinen Platz stand, wo Twerskaja, Ochotnyj Rjad und Mochowaja zusamme n treffen, ist schon abgerissen.
    Die

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