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Wohnraum auf Raedern

Wohnraum auf Raedern

Titel: Wohnraum auf Raedern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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kaiserliche Majestät«, antwortete Chwostikow mit bla u en Lippen.
    »Weshalb bist du denn so schlecht gelaunt, Chwost i kow?« fragte der Herrscher.
    »Schau freundlicher drein, du Aas, wenn du sprichst!« flüsterte von hinten eine Stimme aus der Su i te.
    Chwostikow versuchte seinem Gesicht einen fröhl i chen Ausdruck zu geben. Das sah aber ziemlich seltsam aus. Sein rechter Mundwinkel verzog sich, und das linke Auge schloß sich von selbst.
    »Wie geht es dir denn, lieber Chwostikow?« erku n digte sich der Herrscher.
    »Danke ergebenst«, antwortete der halbtote Chwost i kow tonlos.
    »Ist alles in Ordnung?« setzte der Herrscher das G e spräch fort. »Was macht die Kasse für gegenseitige U n terstützung? Die Versammlungen?«
    »Alles geht gut«, berichtete Chwostikow.
    »Bist du schon in die Partei eingetreten?« fragte der Herrscher.
    »Nein.«
    »Aber du sympathisierst doch?« erkundigte sich der Herrscher und lächelte dabei so, daß Chwostikow E i seskälte von etwa fünf Grad minus über den Rücken kroch.
    »Antworte ohne zu stottern, Kanaille«, rief von hi n ten eine Stimme.
    »Ein wenig«, antwortete Chwostikow, »ein ganz kle i nes bißchen ...«
    »Aha, ein bißchen«, sagte der Herrscher. »Sehr nett. Was ich fragen wollte, habt ihr Schnur zum Verp a cken?«
    »Natürlich«, antwortete Chwostikow, und ihm wu r de flau im Magen.
    »Dann also: Nehmt diesen Hundesohn und hängt ihn mit der Verpackungsschnur an der Bremse auf«, ordnete der kaiserliche Herrscher an.
    »Wofür denn, Genosse Kaiser?« fragte Chwostikow, während sich in seinem Kopf alles drehte.
    »Ich werde dir sagen wofür«, antwortete der kaiserl i che Herrscher munter, »für die Gewerkschaft, für das ›Wacht auf, Verdammte dieser Erde‹, für die Kasse für gegenseitige Unterstützung, für das ›besiegt die Feinde der Arbeitermacht‹, für ›ausmerzen‹ und dergleichen. Ergreift ihn?«
    »Ich habe eine Frau und kleine Kinder, Euer Geno s senschaft«, antwortete Chwostikow.
    »Wegen deiner Frau und deiner Kinder sei nur r u hig«, besänftigte ihn der kaiserliche Herrscher. »Die werden auch aufgehängt. Ich fühl’s und seh’s dir an deiner Visage an, daß deine Kinder Pioniere sind, stimmt’s?«
    »Sti...«, antwortete Chwostikow wie ein Telefonhörer.
    Dann wurde Chwostikow von zehn Händen ergriffen.
    »Helft mir!« schrie Chwostikow wie am Spieß.
    Und erwachte.
    In kaltem Schweiß.
     
    1925

Der Wüstling
     
     
    Der Weichensteller hüstelte und trat ins Zimmer seines Vorgesetzten. Der Vorgesetzte saß am Schreibtisch.
    »Guten Tag, Adolf Ferapontowitsch«, sagte der We i chensteller höflich.
    »Was willst du?« fragte der Vorgesetzte nicht weniger höflich.
    »Sehen Sie ... ich befinde mich faktisch im Eh e stand«, brachte der Weichensteller hervor und lächelte aus irgendeinem Grund verschämt.
    Der Vorgesetzte sah den Weichensteller voll Abscheu an. »Du hast auf mich immer den Eindruck eines Wüs t lings gemacht«, bemerkte er. »Du hast auch einen sinnlichen Mund.« Der Weichensteller erstarrte. Sie schwiegen.
    »Ich will dich nicht aufhalten«, fuhr der Vorgesetzte fort. »Was stehst du da neben dem Tisch? Wenn du gekommen bist, um mir schmutzige Geschichten aus deinem Privatleben zu erzählen – das interessiert mich nicht.«
    »Ich? Erlauben Sie bitte ... Ich bin wegen der Fah r karte gekommen ...«
    »Wegen welcher Fahrkarte?«
    »Für meine Frau eine Gratisfahrkarte.«
    »Für deine Frau? Bist du denn verheiratet?«
    »Ich sage ja ... im faktischen Ehestand.«
    »Hi-Hi ... Du bist mir ein Lustiger. In welcher Ki r che hast du geheiratet?«
    »Ich habe nicht in der Kirche geheiratet ...«
    »Wo sind Sie getraut worden, verehrter Eisenba h ner?« erkundigte sich der Vorgesetzte betont sachlich.
    »Aber ich ... ich bin nicht getraut ... ich sage ja: im faktischen ...«
    »Nun, siehst du, Freund, dann hast du keine Frau, sondern eine Mätresse.«
    »Wieso?«
    »Sehr einfach. Du Schlaukopf, hast dir da so ein Flittchen aufgegabelt, und jetzt gibt sie keine Ruhe. Eine Gratisfahrkarte will sie! Du bist gut! Heute will sie eine Gratisfahrkarte, morgen verlangt sie ein Auto oder ein Motorboot. Oder einen Waggon erster Klasse! Im Viehwaggon wird sie dir sowieso nicht fahren. Dann einen Hut! Und nach dem Hut will sie Seidenstrümpfe. Mit dir wird es ein böses Ende nehmen, Weichensteller. Dreihundert Rubel im Monat kostet sie dich leicht. Und das nur, wenn alles gut geht, wenn ihr spart, a n sonsten

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