Wolf Diaries - Erlegen: Wolf Diaries 3 (German Edition)
fünfundneunzig. Dichtes schwarzes Haar mit einer Andeutung von Rot und mehreren weißen Strähnen. Nicht grau. Weiß. Und was ihr entgangen war, als sie am Flughafen mit ihm zusammenstieß, waren die dicken, runden Wirbel weißer Haare hinter jedem Ohr. Das fand sie unglaublich eigenartig, und doch hatte sie den beinahe überwältigenden Drang, mit den Fingern hindurchzufahren und herauszufinden, ob sie sich anders anfühlten als die restlichen Haare. Dann bemerkte sie, dass er die Haare im Nacken kurz trug, die an der Vorderseite aber ein bisschen länger ließ, sodass sie ihm in die Augen fielen. Seine Nase, lang und leicht flach an der Spitze, erinnerte sie ein bisschen an eine Katzenschnauze. Und seine goldenen Augen mit den grünen Sprenkeln reflektierten das Sonnenlicht. Seine Augenlider standen ganz leicht schräg, deshalb nahm sie an, dass er ein bisschen asiatisches Blut hatte.
Außerdem hatte er sich endlich etwas angezogen. Eine locker sitzende Jeans und ein altes blaues T-Shirt, auf dem Navy stand. Er trug keine Schuhe an den großen Katzenfüßen. Gut. Falls nötig, konnte sie ihm also den Fuß brechen.
Die beiden beäugten sich eine volle Minute lang, bis Angie das Schweigen nicht mehr ertrug. »Also, Landei, lässt du mich raus? Oder willst du mich den ganzen Tag anstarren?«
Er verzog finster das Gesicht und trat von der Tür zurück. »Also gut. Schaff deinen knochigen Hintern hier raus.«
Angies Versuch, elegant zu sein, verpuffte, denn seine Worte brachten sie dazu, direkt in ihn hineinzustolpern. Sie wusste nicht, von wessen knochigem Hintern er sprach, aber ihrer konnte es nicht sein. Sie war keinen Tag in ihrem Leben knochig gewesen und hatte es zum Glück auch nie gewollt. Angie hatte viele Probleme, aber ein mangelndes Selbstbewusstsein hatte nie dazugezählt.
Er packte sie an den Armen, um ihren Sturz aufzuhalten, und sie fühlte die Hitze seiner Hände durch die Haut dringen. Sein mürrischer Tonfall von eben veränderte sich, als er fragte: »Alles in Ordnung, Süße?«
Sie entriss ihm ihre Arme. Sie hasste es, berührt zu werden. Schon immer. Und seine Berührung fand sie besonders unerfreulich. Seine Stimme dagegen, mit ihrem verflixten Südstaatenakzent, ließ ihren Puls durch den ganzen Körper rasen wie ein außer Kontrolle geratenes Buschfeuer. »Mir geht’s gut. Und nenn mich nicht Süße!« Sie ging bis zur Mitte des Schlafzimmers. »Und jetzt, Landei?«
Er zuckte die Achseln, ein irritierendes Lächeln spielte um seine Lippen. Dann ging er zum Nachttisch, nahm ein schnurloses Telefon und warf es ihr zu. Sie fing es mit einer Hand, aber sie wusste nicht, was er von ihr erwartete. Wollte er, dass sie jemanden anrief, damit er eine Lösegeldforderung stellen konnte? Oder sollte sie es ihm einfach in seinen knackigen Hintern schieben? Eher Letzteres, bevor sie Sara dazu brachte, diesem Bastard auch nur einen verdammten Cent für ihre Freiheit zu zahlen.
»Was zum Geier soll ich damit anfangen?«
»Tja, Süße, das nennt man Telefon. Es gibt diese unglaubliche neue Erfindung …«
»Ich weiß, was das ist, du …« Sie knirschte mit den Zähnen und schluckte ihre Beschimpfung hinunter. Hätte sie ihre Raserei mit voller Wucht losgelassen, hätte sie hier gestanden und ihn die nächsten zweiundsiebzig Minuten verflucht.
Sie versetzte dem Telefon einen Schlag.
»Ich werde keine Lösegeldforderung überbringen!«
»Lösegeld.« Er lachte. »Wer würde schon Lösegeld für dich zahlen?«
»Du schleimiger kleiner …!«
»Ich gebe dir das Telefon, damit du deine Freunde anrufen und ihnen sagen kannst, dass sie deinen knochigen Hintern hier abholen sollen. Heute noch.« Auf ihr verwirrtes Stirnrunzeln hin fügte er hinzu: »Glaub mir. Ich habe dich nicht gekidnappt. Das waren meine idiotischen Brüder. Dachten, sie täten damit etwas Gutes. Ich persönlich hätte dich dort gelassen. Sollen sich die Hunde doch um dich kümmern.«
Sie hatte nicht darum gebeten, von Hinterwäldlern entführt zu werden, aber sie hatte ganz sicher keine Lust zu hören, sie sei eine Entführung nicht wert.
Schnell hämmerte sie eine Nummer in die Tastatur und hielt sich das Telefon ans Ohr. Es klingelte, während sie an dem Bauerntrampel vorbeiging und sich mit Leichtigkeit auf die leere Kommode hochdrückte. Ihre Füße baumelten in der Luft, und sie freute sich zu sehen, dass ihre Pediküre die jüngsten Misshandlungen gut überstanden hatte.
Beim vierten Klingeln hörte sie ein
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