Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
klingelte.
„Ungünstiger Zeitpunkt für Besuch“, murmelte sie vor sich hin, als sie zur Tür ging. Doch als sie durch den Spion schaute, öffnete sie sofort. „Na, da schau her!“
Karonski sah so zerknittert und modemuffelig aus wie immer, aber er blickte ausnahmsweise einmal nicht mürrisch drein. „Haben Sie einen Kaffee für mich?“
Lily schüttelte lächelnd den Kopf. „Vielleicht ist noch etwas in der Kanne. Kommen Sie rein! Sie müssen sich aber selbst bedienen“, sagte sie und ging Richtung Badezimmer. „Und erzählen Sie, während ich mich fertigmache. Ich muss … ich habe um die Mittagszeit eine Verabredung.“
„Ich weiß.“
Lily warf ihm einen überraschten Blick über die Schulter zu.
Karonski grinste sie schief an. „Ich bin Ihr Fahrer. Rule hat mich darum gebeten.“
„Oh. Also, das ist großartig. Wie geht es Ihnen denn inzwischen?“, fragte sie, nahm ihre Bürste zur Hand und schaute missbilligend in den Spiegel. Sie konnte sich die Haare unmöglich flechten und musste sie wohl oder übel offen lassen.
„Gut. Mir geht es gut. Ich habe Glück gehabt.“
„Ja.“ Sie begann sich die Haare zu bürsten.
Helens Tod hatte böse Folgen für ihre Opfer gehabt. Die meisten waren dem Wahnsinn verfallen, jedoch auf unterschiedliche Weise. Diejenigen, die am längsten unter ihrer Beeinflussung gestanden hatten und denen sie am heftigsten zugesetzt hatte – und das waren viele gewesen –, waren in einen Blutrausch geraten und zu gemeingefährlichen Irren mutiert. Und zwei hatten sich umgebracht.
Mech war einer von ihnen gewesen.
Lily bekam feuchte Augen. „Verdammt!“ Sie knallte die Bürste auf die Ablage. Wenn sie Helen nicht getötet hätte, wäre Mech noch am Leben.
„Das ist ganz normal“, sagte Karonski leise. „Ich kenne das. Solange man kämpft, ist alles in Ordnung, aber danach …“, er zuckte verlegen mit den Schultern, „überkommt einen plötzlich die große Heulerei.“
Lily lächelte zaghaft. „Sie und heulen?“
„Um das nicht misszuverstehen, wir Polen sind trotzdem sehr männliche Männer! Ein paar Tränen ändern daran gar nichts!“
Sie nickte, atmete tief durch und griff nach ihrem Mascara. Gut. Ihre Hand zitterte nicht. Es war schwierig, sich die Wimpern zu tuschen, wenn man das große Bibbern hatte. „Und wie geht es Croft?“
„Er hat viel zu tun. Er ist nämlich die clevere Hälfte des Teams, weshalb ich ihm den ganzen Papierkram überlasse.“ Karonski kicherte und plauderte weiter über seinen Partner, um ihr Zeit zu geben, sich wieder zu fassen.
Lily gab sich alle Mühe, doch sie schenkte weder ihm noch dem Schminken die nötige Aufmerksamkeit. Sie war mit ihren Gedanken woanders.
Karonski hatte in der Tat großes Glück gehabt. Weil er noch in tiefem Schlaf gelegen hatte, als sie Helen getötet hatte, war sein Verstand vor den schlimmsten Folgen bewahrt gewesen. Und er war von einer erfahrenen Schamanin betreut worden. Für alle anderen war die Sache weitaus weniger glimpflich abgelaufen.
Ein Stadtrat lag im Sanatorium in einem stillen Kämmerlein. Die wohlhabende Witwe eines Kongressabgeordneten litt an Katatonie. Doch in Bezug auf einige wenige andere Opfer waren die Ärzte optimistisch. Bei dem Air-Force-Oberst zum Beispiel, der sich der Polizei gestellt hatte, als er wieder klar denken konnte. Er hatte nicht lange unter Helens Kontrolle gestanden.
Captain Randall hatte mit der Sache nichts zu tun gehabt. Er war von Anfang an sauber gewesen. Und er hatte Lily nicht verziehen, dass sie ihm misstraut hatte, obschon er ihr einen Höflichkeitsbesuch abstattete, bevor sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde.
Sie hatte sich bei ihm entschuldigt. Und dann hatte sie in aller Stille ihren Job gekündigt.
Und was Harlowe anging … Lily versuchte, sich keine Gedanken über ihn zu machen. Zumindest nicht an diesem Tag. Sie wussten nicht, wie sich Helens Tod auf ihn ausgewirkt hatte, denn irgendwie war er in dem ganzen Durcheinander abhanden gekommen … offenbar mit dem Stab, denn den hatten sie auch nicht gefunden. Ebenso wenig wie Ginger.
Und dann war da noch Mick.
Lily warf den Lippenstift in ihre Handtasche. Sie musste schlucken, weil ihr die Erinnerung die Kehle zuschnürte. Rule war blutüberströmt zu Boden gegangen, und einer der Azá war im Begriff gewesen, ihm eine silberne Kugel in den Kopf zu jagen.
Mick war in die Schusslinie gesprungen. Sein Herz war von der Kugel derart zerfetzt worden, dass er trotz seiner
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