Wolf Shadow Bd. 2 - Magische Versuchung
von ihren Gefühlen übermannt. Wie eine dieser Meereswellen, an die sie sich erinnerte, rollten sie heran, wurden größer, türmten sich auf.
Und ebenfalls wie die Wellen, an die sie sich erinnerte, war diese hier salzig. Plötzlich bemerkte sie die Tränen in ihren Augen. Er war das einzig Gute, was sie hatte. „Ich bin so froh, dass es dich gibt“, flüsterte sie – leise, ganz leise, um ihn nicht zu wecken. „So verdammt froh.“
Gan kicherte. Schnell wischte sie sich mit der Hand über die Augen und wandte sich ihm verärgert zu – aber der Dämon war mit etwas anderem als sie zu verspotten beschäftigt: mit den schimmernden geflügelten Insekten. Seine Hand schoss vor und schnappte zu.
Eigentlich müsste sie auch über Gans Anwesenheit froh sein. Auch wenn der Dämon nur aus reinem Eigeninteresse gehandelt hatte, hatte er doch ihre Wunden geheilt.
Gan stopfte sich das Insekt in den Mund.
Seine Gewohnheiten waren nicht gerade ansprechend, aber ohne ihn wäre es für sie und den Wolf sehr viel schwerer, sich in dieser Welt zurechtzufinden.
Er grapschte sich ein weiteres Insekt. Dieses Mal verfütterte er es an die Schlangenranke. Wieder kicherte er, als die Flügel wild schlugen.
Nicht ohne Grund hatte sie sich nicht mit Gan anfreunden können. Sie wandte den Blick ab.
Es fiel ihr schwer, stillzusitzen. Obwohl sie eben noch das Bedürfnis gehabt hatte, sich auszuruhen, verspürte sie jetzt den Drang, sich zu bewegen. Sie hatte geglaubt, diese Rastlosigkeit in der Schlucht zurückgelassen zu haben, aber nun stellte sich heraus, dass sie sie mitgenommen hatte.
Und auch ein anderes Bedürfnis hatte sich als hartnäckig erwiesen. Eines, das zu ihrer Rastlosigkeit beitrug, auch wenn sie glaubte zu wissen, dass es nicht der eigentliche Grund war. Ein dringendes, schmerzhaftes Bedürfnis.
Sie wollte Sex.
Wenn sie stillsaß – so wie jetzt –, war der Drang ganz eindeutig. Aber gespürt hatte sie ihn schon eine Weile, auch wenn sie ihm keine Beachtung geschenkt hatte – seitdem Gan ihr das ymu gegeben hatte, erkannte sie nun. Sie erinnerte sich an den plötzlichen Schub von Energie und Kraft – als hätte ihr Blut plötzlich zu sprudeln begonnen.
War es möglich, dass sie sich immer so fühlte, wenn ihr Körper gesund und ausgeruht war? Aber waren Dämonen nicht eigentlich sexbesessen? Vielleicht kamen diese Gefühle von Gan – immerhin war sie an ihn gebunden. Oder von seinem ymu .
Wieder warf sie ihm einen schrägen Blick zu. Diese Frage würde sie ihm auf keinen Fall stellen.
Gan hatte gesagt, dass sie und Rule Sex hatten, wenn „er kein Wolf war“. Sie runzelte die Stirn. Ihn sich als Mann vorzustellen beunruhigte sie. War er schon lange ein Wolf? Wie war er, wenn er kein Wolf war?
Sie wünschte, sie könnte sich daran erinnern. Komisch … sie wusste, was Sex war und wonach ihr Körper sich sehnte. Wie die Hand eines Mannes sich auf ihrer Haut anfühlte, konnte sie sich vorstellen, aber sich nicht daran erinnern, berührt worden zu sein. Sie versuchte, sich ein einziges, präzises Bild in Erinnerung zu rufen – ein Gesicht, einen Namen, einen Ort. Aber es gelang ihr nicht. Wie sah ihr Bett aus? Wer hatte dort mit ihr gelegen? Hatte sie viele Liebhaber gehabt? Oder … ein weiteres Wort traf sie mit dem ganzen Feingefühl eines Vorschlaghammers.
Ehe. Was, wenn sie verheiratet war?
Sie sah den Wolf an, dessen Kopf schwer und warm auf ihrem Oberschenkel lag, und dachte angestrengt nach. Sie trug keinen Ring … aber sie war hier ohne Kleidung angekommen, also hatte das nichts zu bedeuten.
Sie bemerkte erst, dass sie nach dem kleinen Anhänger getastet hatte, als sich ihre Finger darum schlossen. Das schwache, vertraute Summen der Magie, die ihm innewohnte, entspannte sie. Wenn ihre Kette die Grenze mit ihr passiert hatte, dann hätte das doch ein Ring wohl auch getan.
Der Dämon seufzte, streckte seine kurzen Beinchen und lehnte sich zurück auf seinen Schwanz. „Mir ist langweilig.“
Sie mussten also nur still sein, wenn ihm nicht langweilig war? Böse sah sie ihn an. „Was ist?“, sagte er. „Findest du es nicht langweilig, einfach nur herumzusitzen?“
Er war wie ein Kind, fand sie. Ein bösartiges kleines Kind, das Fliegen die Flügel ausrupfte – und sie an fleischfressende Pflanzen verfütterte. Aber vielleicht schliefen Dämonen nicht, und deswegen verstand Gan auch nicht, dass er keinen Lärm machen durfte, wenn er Rule nicht wecken wollte. „Scht!“, machte sie.
Gan
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