Wolf Shadow Bd. 2 - Magische Versuchung
sandfarben, breiter als ihre beiden Handflächen zusammen, aber dünn und leicht gebogen. Ein Fragment, dachte sie. Die Kanten waren scharf. Konnte man es als Waffe gebrauchen?
Sie wischte den Sand ab, und ihr stockte der Atem.
Blasse Farben wie die eines sanft schimmernden Opals durchzogen den Gegenstand. Jedes Mal, wenn sie ihn hin und her bewegte, schillerten sie anders.
Gan kreischte: „Leg es zurück! Leg es zurück! Wir werden alle sterben!“
„Wovon redest du?“
„Du Idiotin! Das ist ein Drachennest! Wir sind Futter für die Babys! Wenn sie schlüpfen, sind sie hungrig!“
Einer der Felsen blinkte. Und die Erde bewegte sich.
Sand wogte und rieselte, als etwas aus ihm emporstieg. Lily verlor das Gleichgewicht und landete auf dem Hintern. Mit beiden Händen griff sie in den Sand, als wollte sie sich daran festhalten.
Ein Kopf, geformt wie der einer Schlange, aber groß wie ein kleiner Wagen und mit einem scharlachroten Kragen am Hinterkopf, wuchs aus dem Boden empor. Ein langer, flacher Kopf, bedeckt mit irisierenden Schuppen, deren Farben ineinanderflossen – stahlblau, rotes Schimmern, Zwielicht. Ein Kopf auf einem Hals, der unendlich lang schien, ein Hals, der dem Monster von Loch Ness alle Ehre gemacht hätte, mit seinen gespannten Sehnen unter den schimmernden Schuppen – Morgenrot, Abenddämmerung, der matte Glanz alter Spiegel.
Der Drache stemmte sich aus dem Boden wie eine footballfeldgroße Schlange, eingehüllt in eine Sandwolke. Lily musste blinzeln, als Sandkörner in ihre Augen flogen. In der Mitte, zwischen den Beinen, war sein Körper am dicksten und verjüngte sich dann zu einem Schwanz, der lang genug war, um als Gegengewicht zu dem enormen Hals dienen zu können. Er rollte sich um sie zusammen, bis sein Schwanzende fast seinen Kopf berührte. Wie ein lebender Wall umgab er sie. Die Flügel lagen kunstvoll gefaltet am Körper.
Der Drache sah mit tellergroßen Augen, in denen nur Schwarz und Silber, kein Weiß, zu sehen war, auf sie herunter, und sie fühlte nichts als Furcht – als Gewicht auf ihrer Brust, Geschmack in ihrem Mund, Lärm in ihrem Kopf und Getöse eines wild gewordenen Pulschlags in ihren Ohren.
Und der einzige klare Gedanke, den sie fassen konnte, war: Das ist kein Baby.
25
Cynna betrachtete Cullen nachdenklich. „Das sind mir viel zu viele Vermutungen. Zu wenig Fakten.“
Cullen hob die Augenbrauen leicht. Gott, sogar die Brauen dieses Mannes waren umwerfend. Das Leben war nicht gerecht. „Oder Sie wissen nicht alles, was ich weiß. Das könnte doch möglich sein, oder nicht?“
„Können Sie für einen Moment Ihr Ego mal Ego sein lassen? Gucken Sie sich doch die dicken, fetten Fragezeichen an, die hinter jedem Punkt stehen. Zuerst einmal wissen wir nicht, ob die Hölle tatsächlich der Erde geografisch am nächsten liegt. Manche sagen, das sei das Feenland.“
„Dann liegen die falsch.“
„Ich nehme an, das haben Sie persönlich überprüft?“
„Nein. Das habe ich von ni’Aureni Aeith. Und er muss es wissen, da werden Sie mir zustimmen.“
„Vielleicht“, sagte Lily. „Wenn du mir sagst, wer Ni-Oreni-Eis ist.“
Cynna seufzte. Sie war durchaus fähig zuzugeben, wenn sie unrecht hatte. Es war nicht leicht für sie, aber sie konnte es. „Einer der Feenlords, wenn ich die Gepflogenheiten der Namen und Titel richtig verstanden habe. Und Sie glauben ihm? Ich meine, Feen haben ein sehr kreatives Verhältnis zur Wahrheit.“
„In diesem Fall vertraue ich ihm. Er schuldete mir etwas.“
„Okay. Wenn Rule also in der Hölle … wie, zur Hölle, ist er dorthin geraten?“
„Das habe ich bereits ausgeführt. Sie selbst ist in der Hölle …“
„Was nicht bewiesen ist.“
Ungeduld blitzte in den hübschen blauen Augen auf. „Es ist nur eine Vermutung, aber von Fakten untermauert – Dinge, die passiert sind, bevor Sie aufgetaucht sind. Irgendwie muss Rule mitgezogen worden sein, als Sie die Reste des Stabes gerettet hat.“
Sie schüttelte den Kopf. „Zu viele Fragezeichen“, wiederholte sie. „Warum suchen wir nicht nach einer einfacheren Erklärung?“
Cullen war ganz höflicher Zweifel. „Und die wäre?“
„Dämonentransfer.“ Sie sah von einem zum anderen. „Na ja, war da nicht auch ein Dämon, der sich alle Mühe gegeben hat, von Lily Besitz zu ergreifen? Nicht, dass irgendjemand anderer als sie ihn gesehen hätte, aber …“
„Ich habe ihn gesehen“, sagte Cullen. „Nicht mit den Augen, aber er war
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