Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
„Er hat ihn, Rule. Das Messgerät hat keinen Fehler gemeldet; es sind unerhörte Mengen an Energie nötig, um ein Tor zu öffnen. Das war, als der Codex zurückkam. Und der Mistkerl, der meine Erinnerungen manipuliert hat, hat ihn.“
Das ergab einen Sinn. Es ergab sogar verdammt viel Sinn. „Glaubst du, dieser Michael ändert erst deine Erinnerungen und stattet dich dann freundlicherweise mit Schilden aus?“
Cullen machte eine wegwerfende Handbewegung. „Er brauchte etwas von mir. Ich wünschte bei Gott, ich könnte mich daran erinnern, was es war, aber es ist weg. Die Schilde waren meine Bezahlung, was darauf schließen lässt, dass er kein totales Arschloch ist, oder wenigstens, dass Molly nicht zugelassen hat, dass er mich tötet. Aber etwas hat er vergessen zu löschen. Ich weiß, wie er aussieht.“
Schon vorher hatte Cullen den Mann unbedingt finden wollen, doch jetzt war das Bedürfnis alles verzehrend. „Vielleicht“, sagte Rule langsam, „sollten wir den Codex lassen, wo er ist.“
„Wie Vogel Strauß, meinst du? Wir tun so, als würde nichts passieren, als würde der schwarze Mann uns nicht finden?“ Cullen war empört. „ Sie ist auf der Suche nach dem Codex. Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um ihn vor ihr zu finden.“
Er hatte recht. Und doch … „Der Codex ist die größte Büchse der Pandora, die die Welt je gesehen hat. Wenn er das an Wissen enthält, was du glaubst …“
„ Sie glaubt es auch.“
„Wem kann man dann ein solches Wissen anvertrauen?“
Cullen fuhr sich mit der Hand über die Haare. „Wenn du denkst, dass ich das nicht sein kann, dann hast du wahrscheinlich recht. Oh, ich will mich nicht zum Herrscher über die Welten aufschwingen. Dafür habe ich gar keine Zeit. Aber besser, die Nokolai haben ihn, als die Regierung.“
Die Regierung. Lily. „Was sagst du da?“, fuhr Rule ihn an.
„Sag es nicht Lily. Noch nicht. Sie wird es unbedingt dieser verdammten Task Force weitersagen wollen, und …“
„Ich muss es ihr sagen. Das letzte Mal, als ich ihr etwas verschwiegen habe …“ Rule lachte rau auf. „Da ist sie in der Hölle gelandet. Und ich auch.“
Cullen schüttelte den Kopf. „Du hast ihr Informationen vorenthalten, die den Clan betroffen haben, und das hatte nichts mit dem zu tun, was euch beiden zugestoßen ist.“
„Ich kann vor ihr nichts verbergen.“
„Das hast du doch schon getan.“
Lily nahm ihre Tasche und ihren Computer, schlug die Autotür zu und verließ zügigen Schrittes die Garage. Automatisch ließ sie den Blick über den Garten hinter dem Haus schweifen, konnte die Wachen aber nicht ausmachen.
Das machte sie, offen gestanden, nervös. Sie war froh, dass die Wachen da waren, aber ihr behagte die Vorstellung nicht, dass sich jemand so gut verstecken konnte.
Die Hintertür öffnete sich, als sie gerade die Hand danach ausstreckte. Sie zuckte zusammen und trat dann ein. „Das ist nicht gut für meine Nerven“, sagte sie zu Benedict, der ihr die Tür aufhielt.
Er lächelte. Benedict redete nicht gern.
„Rule!“, rief sie, stellte ihren Laptop auf den Tisch, kramte ihr Handy aus der Tasche und warf die Tasche dann ebenfalls darauf. Sie drückte die Kurzwahltaste für Cynnas Handynummer.
„Jetzt kommt Bewegung in die Sache.“ Sie schaute gerade auf ihre Uhr, als Rule in die Küche kam. „Komm schon, Cynna, geh ran“, sagte sie zu dem klingelnden Telefon und redete ohne Pause weiter mit Rule. „Es gibt einen neuen Hinweis. Ich muss nach Chicago, deswegen werden wohl ein paar von den Bodyguards … verdammt.“ Cynnas Mailbox forderte sie auf, eine Nachricht zu hinterlassen.
Das tat sie auch, indem sie Cynna bat, so bald wie möglich zurückzurufen. Dann gab sie Rule weitere Erklärungen, während sie aus ihrer unförmigen Jacke schlüpfte. „Die Frau, mit der ich in Baltimore gesprochen habe, hatte Angst. Jiri scheint viel Eindruck auf ihre Anhänger gemacht zu haben, aber schließlich hat sie mir doch einen Namen genannt. Der ist neu – der Secret Service hatte ihn noch nicht. Hamid Franklin kam zu der Bewegung, lange nachdem Cynna sie verlassen hatte. Anscheinend war er einer von Jiris Favoriten, also …“
Erst jetzt fiel ihr auf, wie schweigsam er war. Seine Miene war ausdruckslos. „Was ist? Stimmt was nicht?“ Dumme Frage, wenn so vieles nicht stimmte – aber es kam immer noch etwas dazu.
So wie auch jetzt.
„Ich kann nicht nach Chicago fahren“, sagte er. „Pauls Leiche wird heute an
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