Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
mich übergeben.“
28
Der Leichenwagen vor ihnen stand schwarz und glänzend in der späten Nachmittagssonne. Zu diesem Anlass hatte die Sonne sich endlich dazu bequemt herauszukommen. Das kotzte sie an.
Lily hatte Hunger. Sie war müde, und sie war in Sorge … na gut, nicht in Sorge. Sie hatte Angst. Und diese Angst hatte so viele Gründe, dass es schwer war, nicht den Überblick zu verlieren. Rule war mit Dämonengift infiziert. Ihre Mutter redete nicht mehr mit ihr. Im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester – leider. Die Welt würde in Kürze mit großen Mengen von Magie beschossen werden. Danach würde nichts mehr sein wie zuvor. Und es würde wahrscheinlich Tote geben. Überall tauchten plötzlich Dämonen auf, und eine Große Alte, die schon den Big Bang miterlebt hatte, wollte die Lupi vernichten, das Große Buch der Magie an sich reißen und die Welt beherrschen.
Die Füße taten ihr weh.
Um Alexia Morgan zu finden, hatte sie durch halb Baltimore fahren müssen. Die Frau war weder zu Hause noch bei der Arbeit noch in ihrem Stammlokal gewesen. Schließlich hatte Lily sie in einem Waschsalon aufgespürt. Sie wusste, dass sie einen Glückstreffer gelandet hatte, und jetzt …
Jetzt hatte Cynna die Reise nach Chicago übernommen, sagte sie sich. Cynna war sehr wohl fähig, das Gespräch zu führen, während sie und Rule und sein muskelbepackter Bruder und sein Zaubererkumpel diesem blöden Leichenwagen folgten, dessen Fahrer es für pietätvoll hielt, fünfzig zu fahren, wenn siebzig erlaubt waren.
Rule hatte ihr gerade Cullens Geschichte erzählt.
„Du hast absichtlich gewartet.“ Sie versuchte, nicht laut zu werden. Auch wenn es nicht einfach war. „Du hast mir erst von diesem Michael und seiner möglichen Verbindung zu dem Codex erzählt, als wir abgefahren sind. Damit wolltest du verhindern, dass ich die Information an Ruben oder an jemanden aus der Task Force weitergebe.“ So etwas konnte nicht am Telefon besprochen werden. Wenn es um den Codex Arcanum ging, war keine Leitung sicher.
Er stritt es nicht ab, doch das konnte sie auch nicht besänftigen. „Verdammt, Rule, das können wir nicht einfach für uns behalten! Zugegeben, es ist nur eine Theorie, aber eine, die passt. Ich muss …“
„Denk doch mal nach“, sagte er kühl. „Denk erst nach, bevor du irgendetwas unternimmst. Deswegen habe ich gewartet. Ich wollte, dass du genug Zeit hast, darüber nachzugrübeln, welche Optionen es gibt.“
Sie riss die Arme hoch. „Ich bin FBI -Agentin. Meine einzige Option besteht darin, es Ruben zu sagen.“
„Das ist nur eine Option von vielen. Er muss es natürlich der Präsidentin berichten, die wiederum mit ein paar vertrauenswürdigen Beratern sprechen wird. Die ihr alle raten werden, den Codex so schnell wie möglich in die Finger zu bekommen.“
„Und was willst du damit sagen?“
„Und was wird das Pentagon wohl mit dem Großen Buch der Magie machen?“
Sie hielt kurz inne. „Aber was können wir denn sonst tun? Mal angenommen, es ist hier, und wir finden es – ganz schön gewagte Annahme, aber nehmen wir einfach mal an. Es ist nicht an uns, eine Entscheidung zu treffen.“
„Wenn du das weitergibst, was wir wissen, dann hast du schon eine Entscheidung getroffen, und damit sind wir mitschuldig an dem, was passiert … wenn sich herausstellen sollte, dass dein Vertrauen in die Behörden nicht gerechtfertigt war.“
„Ich vertraue Ruben.“
Er dachte nach und nickte dann. „Ich auch. Möglicherweise würde ich ihm sogar den Codex anvertrauen, wenn er sich im Gegenzug bereit erklären würde, niemandem zu sagen, dass er ihn hat. Aber wer ihn hat, der muss nicht nur ehrenhaft sein, sondern auch in der Lage, ihn gegen jeden zu verteidigen, der ihn für sich will. Also ungefähr der Rest der Welt, wenn es sich erst einmal herumgesprochen hat.“
„Und nicht nur dieser Welt, sondern auch der anderen Welten“, warf Cullen vom Rücksitz her ein.
Sie trommelte mit den Fingern auf ihren Oberschenkel, zählte bis zehn und sagte dann zu Rule: „Warum wirst du nicht laut, wenn du wütend bist?“
„Ich werfe lieber mit etwas“, sagte er trocken.
Cullen prustete.
Sie drehte sich um und sah ihn böse an. „Warum bist du eigentlich mit? Ich verstehe ja, dass Benedict dabei ist.“ Und sie war verdammt froh darum. Benedict hatte sich einverstanden erklärt, die anderen Bodyguards zu Hause zu lassen – auch Toby brauchte Schutz –, aber er hatte es kategorisch abgelehnt,
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