Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
Randalls Jugend erzählte. Das bedeutete, dass die Gedenkfeier sich langsam dem Ende zuneigte. Die Lupi ließen bei den Gedenkfeiern das Leben des Verstorbenen rückwärts Revue passieren. Der Erste, der sprach, war der, der in der Todesstunde dabei gewesen war.
Rule war nicht gebeten worden, zu erzählen, wie Paul gestorben war. Aber Lily.
Es war als Ohrfeige für Rule gedacht, aber wenn das das Schlimmste war, was heute passieren würde, dann konnte er sich glücklich schätzen. Und Lily hatte sich wacker geschlagen. Als sie die erste Aufregung überwunden hatte – sie war es nicht gewöhnt, vor so vielen Leuten zu sprechen –, hatte sie die Situation mit ihrer üblichen pragmatischen Einstellung gemeistert. Die Sitte wollte es, dass die Redner sich nicht auf ein Podium stellten, sondern da, wo sie gerade standen, das Wort ergriffen. Das hatte ihr die Sache möglicherweise erleichtert. Rule hatte ihr gesagt, sie solle so tun, als würde sie einem schwerhörigen Polizeichef Bericht erstatten.
Vielleicht war sie seinem Rat gefolgt. Nach den Maßstäben der Lupi war ihre Erzählung recht karg ausgefallen, aber vielleicht gerade deswegen besonders bewegend. Sie hatte mit den Worten geendet: „Er hat sehr mutig gehandelt. Ich werde ihm immer ein ehrenvolles Andenken bewahren.“
Donner grollte im Osten, noch in einiger Entfernung. Er wandte den Blick und sah Wolken, die sich zu großen Fäusten ballten, die Knöchel blau geschwollen. Ein Blitz zog seine gezackte Linie vom Himmel hinunter zum Boden.
Er warf Lily einen Blick zu. Zu Hause in San Diego war es ein Ereignis, wenn es regnete. Die Leute hörten auf zu arbeiten, um aufgeregt aus dem Fenster zu schauen, über ihren Rasen zu reden und möglicherweise einen Zusammenhang zwischen dem Naturphänomen und dem geheimnisvollen Zeremoniell der Autowäsche herzustellen. Es hatte nicht lange gedauert, bis auch Lily diese Haltung angenommen hatte. Genau wie ihre Katze fühlte sie sich persönlich beleidigt, wenn es so viel regnete.
Hinter sich hörte er Benedicts dunkle, raue Stimme. Er redete so leise mit seiner inneren Stimme, dass der nächststehende Leidolf ihn nicht hören konnte: Brady kommt auf uns zu. Er nähert sich dir von hinten.
Da Benedict sich, entgegen allen Regeln, Rücken an Rücken mit ihm gestellt hatte, gab er ihm Deckung. Sieht er dich? , fragte Rule auf dieselbe Weise.
Ja.
Er wird wahrscheinlich nichts versuchen. Cullen …
Ich habe euch gehört, sagte Cullen. Hoffen wir, dass er doch etwas versucht.
Du bist verrückt . Rule beließ es dabei, aber das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war, dass Cullen und Brady sich gegenseitig an die Gurgel gingen. Eigentlich wollte er, dass Cullen in ihrem Zimmer blieb, weil er wusste, dass die Menschenmenge und das lange Stillstehen die Geduld seines Freundes zu sehr strapazieren würden. Aber Cullen war fest entschlossen, seinen Schutz zu übernehmen.
Als ob ein Mann allein, selbst wenn er ein Lupus oder ein Zauberer war, tausend Lupi aufhalten könnte, wenn diese entschieden hatten, dass der Clan der Nokolai auch gut ohne seinen Thronfolger auskäme.
Und diese Vorstellung war krank, und außerdem noch dumm. Die Mehrheit der Leidolf war ehrenhaft. Er war von ihrem Rho als Gast empfangen worden, und sein Gelöbnis gegenüber Pauls Vater machte ihn zu einem Leidolf ad littera für die Dauer der Zeremonie. Ad littera war selbstverständlich nur eine rechtliche Fiktion, wie ein Unternehmen, das vor dem Gesetz als Person angesehen wird, aber er war Gast und für die nächsten Stunden oder so – das würde sicher bald ein Ende haben – ad littera . Gefahr drohte ihm nur von Typen wie Brady. Von den wandelnden Zeitbomben, nicht vom ganzen Clan.
Der Redner hatte geendet. Einen Moment lang herrschte Stille, dann ertönte Victors Stimme. Er stand selbstverständlich in der Mitte der Lichtung, zusammen mit der Rhej und zweien seiner Räte. „Ich danke allen, die das Leben meines Sohnes mit mir geteilt haben. Ich danke denen, die heute ihre Erinnerungen an ihn mit uns geteilt haben. Wir erinnern uns.“
„Wir erinnern uns“, kam es aus tausend Kehlen zurück.
„Als Randall getötet wurde, haben wir nicht nur einen Freund, einen Sohn und einen Geliebten verloren“, fuhr Victor fort. „Wir haben auch unseren Lu Nuncio verloren und unseren Thronfolger. Ich rufe die Ernennung aus.“
Eine weibliche Stimme erklang, es war die Stimme der Rhej. „Wann wirst du die Ernennung
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