Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
einen scharfen Bogen. „Ich glaube, du hast mir viel zu erzählen.“
Sie tauschten einen Blick voll gegenseitiger Zuneigung. „Wie du gesagt hast … später. Ich habe eine Verabredung, die ich …“
„ Wir haben eine Verabredung“, sagte Rule. „Madame Yu, ich möchte Sie um einen großen Gefallen bitten.“
„Sie ist zwar keine Fremde“, sagte Lily, als sie auf den Aufzugknopf drückte. „Aber ist dir wirklich wohl dabei, wenn du Toby bei Großmutter lässt?“
Rule grinste. „Vielleicht hält er es für einen Teil seiner Strafe, aber bei ihr ist er in Sicherheit.“
Dem konnte sie nicht widersprechen. Großmutter war eine richtige Tigerin, wenn es darum ging, ein Kind zu beschützen.
Eine richtige Tigerin.
Niemand außerhalb der Familie wusste das, natürlich … nun, abgesehen von zwei Kollegen in der Einheit, und bei ihnen war das Geheimnis gut aufgehoben. Und selbst die Familie wusste nicht, wie Großmutter zu ihrer einzigartigen Fähigkeit gekommen war. Sie wehrte alle Fragen ab. Natürlich gab es Geschichten über Meister aus der Zeit vor der sogenannten Säuberung, die in der Lage gewesen waren, die Gestalt eines Tieres anzunehmen oder jemanden in den Körper eines Tieres zu verbannen. Aber wer wusste schon, ob diese Geschichten stimmten? Die Zeit dieser Meister war längst vorbei. Die einzigen Wertiere, die es heute noch gab, waren Lupi … und Großmutter.
„Ich gehe davon aus, dass Li Qin die eigentliche Arbeit macht“, sagte Lily, als sie sich in den engen Kasten zu lauter fremden Menschen pferchten.
„Vergiss nicht, sie wird ihm Mah-Jongg beibringen.“
Sie grinste. „Das ist ein Zeichen hoher Wertschätzung. Normalerweise weigert sie sich, mit jemandem zu spielen, der ihren Ansprüchen nicht genügt.“ Wenn Lily ihn nicht so gut gekannt hätte, wäre ihr die Anspannung in Rules Körper nicht aufgefallen. Er mochte keine Aufzüge. Und er mochte es auch nicht, wenn jemand bemerkte, wie unwohl er sich fühlte, deshalb redete sie weiter. „Wir sollten etwas für Li Qin tun, als kleines Dankeschön.“
„Ein Urlaub? Ohne deine Großmutter natürlich.“
„So unglaublich es auch klingt, aber Li Qin ist Großmutter treu ergeben. Ich glaube nicht, dass sie fahren würde. Aber Weihnachten steht vor der Tür.“
„Ja, und es sieht so aus, als würden wir nun doch mit der Familie feiern. Ganz zu schweigen davon, dass wir einen Weihnachtsbaum haben werden. Mit Bonbons.“
„Aber ohne Nikoläuse. Ich hoffe, du weißt, dass du das Ganze bezahlst. Großmutter wird der Meinung sein, dass sie mehr als genug getan hat, weil sie sich dazu herabgelassen hat, das Telefon zu benutzen.“
„Ich würde ganz bestimmt nicht zulassen, dass sie das bezahlt. Du musst deine Mutter anrufen.“
Dieser Hinweis erwischte sie kalt. Sie brauchte eine Sekunde, um sich zu fangen. „Sie würde sich ja doch weigern, mit mir zu sprechen.“
Die Aufzugtüren öffneten sich, und zwei Männer stiegen aus. „Dann hinterlass ihr eine Nachricht. Du müsstest doch selbst am besten wissen, dass uns nicht unbedingt immer genug Zeit bleibt, um uns mit unseren Lieben auszusöhnen.“
Sie starrte auf die sich schließenden Türen. „Falsche Zeit, falscher Ort. Du kannst später an mir herumnörgeln.“
Er senkte die Stimme. „Du hast mir nie gesagt, was zwischen euch vorgefallen ist. Aber ist das denn überhaupt wichtig? Noch dazu so wichtig, dass du an Weihnachten nicht mit ihr reden willst? Sie ist schwierig, das stimmt, aber sie liebt dich.“
Lily antwortete nicht. Er meinte es nur gut, aber das galt auch für ihre Mutter. Jedes Mal, wenn sie Lily sagte, wie sie ihr Leben zu leben hatte, meinte Julia Yu es nur gut.
Fast jedes Mal. Als Lily ihre Unterstützung ganz dringend gebraucht hätte … „Das ist unser Stockwerk“, sagte sie, ebenso erleichtert wie Rule, aus dem engen Aufzug zu kommen.
Bevor sie und Rule San Diego verlassen hatten, hatte Lily ihre Eltern besucht, um sich von ihnen und von ihrer jüngeren Schwester zu verabschieden … und um sich bei ihrer Mutter zu entschuldigen. Das war sie ihr schuldig, obwohl sie verdammt gut wusste, dass sie selbst keine Entschuldigung von ihrer Mutter bekommen würde.
Zwei von ihren drei Vorhaben hatte sie in die Tat umsetzen können. Ihre Mutter war nicht zu Hause gewesen.
Vor fünf Wochen waren Lily und ihre jüngere Schwester in der Notaufnahme gewesen. Lily war verletzt worden. Rule wurde vermisst und war offiziell für tot erklärt worden, und Lily
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