Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
warteten. Kinderbetreuung war für Lupi eine gemeinschaftliche Sache.
Aber sie wusste ja noch nicht einmal, welchen Platz sie in Tobys Leben einnahm. Sie war nicht seine Stiefmutter und war sich auch nicht sicher, dass sie eine sein wollte, aber … bei dem Gedanken spürte sie Sehnsucht. Eine Sehnsucht, die sie nicht verstand.
»Drei – zwei Mädchen und einen Jungen.« Deacon schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Wir sollten nach unten gehen. Marcia wird uns dort erwarten.«
Ohne ein weiteres Wort ging Kessenblaum aus der Tür. Lily wollte ihr gerade folgen, als der Sheriff ihr die Hand auf den Arm legte. »Hören Sie, Agent Yu, ich, äh …« Er schnitt eine Grimasse. »Ich hatte es verdient. Das ist alles, was ich sagen wollte.«
Überrascht hob sie die Augenbrauen. »In Ordnung.«
Das Gefängnis nahm das ganze Untergeschoss und einen Großteil des Erdgeschosses ein. Deacon führte sie in die Aufnahme, wo er die Anweisung gab, dass Meacham in ein kleines Vernehmungszimmer gebracht werden sollte. Er war gerade damit fertig, als Marcia Farquhar eintraf – leicht außer Atem. »Tut mir leid, dass Sie warten mussten.«
»Das macht nichts«, sagte Lily und streckte ihr die Hand entgegen. »Der Sheriff hat uns alles erklärt.«
Die Staatsanwältin machte einen mütterlichen Eindruck. Nicht wie Lilys Mutter, weiß Gott nicht – Marcia Farquhar war pummelig und rosig, und ihre Stimme klang weich und gedehnt, hatte einen Honigton. Das lange Haar, das vorzeitig silbern geworden war, hatte sie zu einem altmodischen Knoten im Nacken geschlungen. Sie trug ein ordentliches Kostüm in Altrosa und eine adrette weiße Bluse.
An Marcia Farquhar war keine Magie.
»Sie verkomplizieren meinen Fall, Agent Yu.«
Lily nickte. »Sie hatten guten Grund anzunehmen, dass der Fall eine runde Sache war. Jetzt stellt sich heraus, dass es nicht so ist. Die Anklageerhebung ist heute Nachmittag, habe ich gehört. Darüber würde ich gerne nach der Vernehmung von Meacham mit Ihnen sprechen. Sie haben den Termin so spät wie möglich angesetzt.«
»Uns fehlten die Leichen – die Sie uns nun geliefert haben, zusammen mit ein paar anderen Komplikationen. Aber die werden keinen Einfluss auf die Anklageerhebung haben.«
Das sollten sie aber. »Lassen Sie uns das besprechen«, wiederholte Lily.
Kessenblaums Blick war zwischen den beiden hin- und hergeflogen. »Haben Sie Informationen, die für meinen Klienten wichtig sein könnten, Agent Yu?«
»Nichts, das vor Gericht zulässig wäre.« Lily empfand billige Genugtuung bei dieser Antwort.
»Wenn Sie vorhaben, Mr Meacham noch wegen weiterer Punkte anzuklagen –«
»Ich klage nicht an, ich führe Ermittlungen durch. Ihr Klient ist Zeuge in einem Ermittlungsverfahren hinsichtlich des Gebrauchs von Magie in einem mehrfachen Mord.«
»Von ihm werden Sie nichts erfahren. Mr Meacham ist nicht in der Lage, Fragen zu beantworten.«
»Er ist aber wohl in der Lage, auf Ihrer Anwesenheit bei allen Vernehmungen zu bestehen.«
»Ich bin froh, dass er daran gedacht hat, aber das ist kein Zeichen für Zurechnungsfähigkeit. Nur dass er weiß, wem er trauen kann und wem nicht. Er gehört in medizinische Behandlung, nicht ins Gefängnis.« Der verärgerte Blick, den sie Marcia Farquhar zuwarf, ließ darauf schließen, dass dieser Punkt bereits diskutiert worden war.
»Crystal«, sagte Farquhar in ihrer honigsanften Sprache, »du tust deinem Klienten keinen Gefallen, wenn du alles so persönlich nimmst. Du solltest dich lieber mit Agent Yu gutstellen. Sie ist nämlich deine neue beste Freundin, denn alles, was meinem Fall schadet, hilft dir nur.«
Oh ja, das war nicht das erste Mal, dass diese beiden miteinander zu tun hatten. Normalerweise würde ein Staatsanwalt einem unsicheren Pflichtverteidiger keinen Rat geben – zumindest keinen guten Rat. Zu gerne hätte Lily gewusst, was die beiden verband, aber nicht jetzt. Sie sah Deacon an. »Wo ist der Vernehmungsraum?«
Das Gefängnis unterschied sich nicht wesentlich von den vielen anderen, die Lily kannte. Es war vielleicht etwas neuer, aber deswegen bedauerlicherweise nicht sauberer. Über allem, was Lilys menschliche Nase nicht identifizieren konnte, hing der durchdringende Geruch von Desinfektionsmitteln. Sie war froh, nicht Rules sensible Nase zu haben, und noch froher, dass sie die psychischen Ausdünstungen, die durch diesen Ort waberten, nicht wahrnehmen konnte. Wie ertrug es ein Empath – selbst einer, dessen Gabe blockiert war
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