Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
nicht genau, warum.«
»Könnte es etwas mit den Clanmächten zu tun haben?«
»Ich wüsste nicht wie. Wenn überhaupt, müssten die beiden Mächte mir mehr Selbstbeherrschung verleihen und nicht weniger.«
»Aber die neue, der Teil der Leidolf-Macht … du sagtest, dass die Clanmächte immer etwas von den Eigenschaften ihrer Träger annehmen, und dieser alte Mistkerl hatte sie sehr lange.« Ihre Augen weiteten sich. »Rule … wenn Victor Frey irgendeinen Einfluss auf dich hat –«
»Nein. Nein, das ist nicht möglich. Die Mächte …« Frustriert strich er sich mit der Hand über das Haar. Lily machte die Mächte für alles verantwortlich, was ihr seltsam vorkam oder sie beunruhigte. Es stimmte, die Mächte hatten sich schon einige Male bemerkbar gemacht … Als ich sie wegen Toby angefahren habe, dachte er schuldbewusst. Aber das war eine ganz andere Situation gewesen. »Es würde zu lange dauern, es dir zu erklären, und wahrscheinlich würde es mir auch gar nicht gelingen, aber Victor kann mich nicht auf diesem Wege beeinflussen, genauso wenig wie ich ihn.«
»Na gut. Aber ich will, dass du es mir irgendwann genauer erklärst. Da fällt mir ein, dass ich dich noch etwas anderes fragen muss. Cullen sagte …«
»So, hier bitte«, sagte Toby und kam zu ihnen gelaufen, in jeder Hand einen Teller. Auf einem lag ein Sandwich, auf dem anderen drei. Drei sehr dick belegte Sandwichs. »Ich bringe euch auch noch Cola.«
»Ich nehme einen Schluck bei deinem Vater«, sagte Lily und nahm den Teller mit ihrem einsamen Sandwich entgegen.
Toby legte die Stirn in Falten und sah sie missbilligend an. »Man sollte immer genug trinken, sonst trocknet man aus.«
»Oh«, sagte sie schwach. »Richtig.«
»Hier.« Toby hielt Rule den anderen Teller hin. »Ich wusste gar nicht, dass du dich mitten ihm Sprung wandeln kannst. Das war echt cool.«
Überrascht lächelte Rule. »Danke.«
»Habe ich es deswegen dieses Mal gespürt? Weil du es so schnell gemacht hast?«
Vor Schock war Rules Kopf wie leer.
Als er nicht antwortete, fragte Toby beunruhigt. »Dad?«
Lily ergriff das Wort so beiläufig, als würden sie immer noch über Sandwichs und Limonaden reden. »Dann spürst du also normalerweise nicht, wenn dein Vater sich wandelt?«
Natürlich stellte sie eine Frage. Lily hatte immer Fragen, was auch gut so war, denn den leeren Raum zwischen Rules Ohren füllte nur ein Echo. Ein immer lauter werdendes Echo.
»Hm-hm. Ich dachte, bis zum ersten Wandel sollte das so sein.« Seine Miene hellte sich auf. »Vielleicht ist es jetzt bald soweit. Ist das der Grund?«
Er war neun Jahre alt. Erst neun. Ein junger Lupus spürte normalerweise den Sog des Wandels erst dann, wenn er selbst kurz vor dem ersten Wandel stand. Und das war bei Toby nicht der Fall.
»Das glaube ich nicht«, sagte Rule schließlich und war dankbar für das jahrelange Training, weil er genauso ruhig klang wie Lily – die nicht ahnen konnte, was ihn beschäftigte. »Gewöhnlich kommen wir ein wenig später in die Pubertät, und du riechst nicht wie ein Lupus, der bald soweit ist. Möglicherweise produziert dein Körper schon mehr von den Hormonen, die die Pubertät auslösen, aber …« Rule verstummte und schüttelte den Kopf. »Nein, auch das würde nicht bewirken, dass du den Wandel spürst, selbst einen, der so vehement war wie meiner.«
»Aber ich habe es gespürt«, sagte Toby beharrlich.
»Wie hat es sich angefühlt?«, fragte Lily.
»Als wenn … als wenn mein ganzer Körper eine einzige Klaviersaite wäre, an der jemand zupfen würde.«
Übelkeit stieg in Rule hoch. »Ich verstehe.« Er verstand es zwar, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen, war aber doch froh, dass Tobys Nase noch nicht mehr als die eines Menschen roch. »Nun, die Rhej der Leidolf ist eine Heilerin.«
»Wie Nettie?«
»Ja, obwohl sie in einer anderen Tradition ausgebildet wurde. Sie soll dich untersuchen, um zu sehen, ob du weiter bist, als ich dachte.«
Lily warf ihm einen scharfen Blick zu. »Du willst immer noch zu ihnen fahren?«
»Ja.« Gott, ja – obwohl er auch Nettie anrufen würde. Obwohl er der Rhej der Leidolf vertraute, war es ihm lieber, dass die Heilerin seines eigenen Clans seinen Sohn untersuchte. »Heute noch, denke ich. Es ist sicher das Beste, wenn ich Toby so weit weg wie möglich fort von hier bringe, wo wer oder was auch immer willkürlich Menschen zu Killern macht.«
Sie seufzte so leise, dass selbst er es kaum hörte, und wandte sich Toby zu.
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