Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
einschätzten, auch wenn sie sich große Mühe gegeben hatten, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen. Darin waren sie gut. Sie waren gelehrige Schüler gewesen.
Gute Lupi, alle beide. Außergewöhnlich gut. Isen nahm sich einen Moment, um den Stolz und die Demut zu spüren, solche Söhne zu haben. Er wusste, sie würden die heutige Nacht überleben und ihre Sache gut machen. Er machte sich keine Sorgen. Oh, er hatte die Möglichkeit, dass sie sterben könnten, laut in Betracht gezogen, doch das war nur ein Lippenbekenntnis gewesen. Er glaubte nicht daran. Schon vor Jahren hatte er begriffen, dass nur der nicht verrückt wurde, der auch zur Unvernunft fähig war. Seine Söhne würden immer wieder in Gefahr kommen, durch die Natur, die Umstände und die Pflicht – und manchmal auch durch seine eigenen Befehle. Um seine Aufgaben erfüllen zu können, musste er glauben, dass seine Söhne am Leben blieben. Und deshalb tat er es. Meistens. Voller Entschlossenheit.
Er wollte nicht, dass sie heute Abend um ihn trauern mussten, aber irgendwann verlor jeder Sohn seinen Vater. Entweder starb der Vater, so wie seiner, oder der Sohn. So wie drei Söhne seines Vaters. Und auch einer seiner eigenen Söhne, der damit Isens wohlüberlegten, unvernünftigen Glauben erschüttert hatte.
Mick war immer jemand gewesen, der Isens Erwartungen infrage stellte.
Seltsam. Jetzt war es dieser verlorene Sohn, der, bei dem er versagt hatte, der mit ihm durch die Dunkelheit fuhr. Vielleicht, weil die Toten näher kamen, wenn man sich dem Tod gegenübersah. Vielleicht weil eine komplizierte Liebe enger verband, und die Liebe zwischen ihm und Mick war in der Tat kompliziert gewesen. Vielleicht auch einfach, weil Reue immer mitfuhr, wenn man dem Tod entgegenfuhr.
Nicht dass er vorhatte, zu sterben. Wie morbide er war! Isen lachte in sich hinein, was ihm einen schnellen Blick von Jason einbrachte, einem seiner beiden lebenden Begleiter. Er lächelte und schüttelte den Kopf, um dem Jungen zu verstehen zu geben, dass er keine Unterhaltung wünschte.
Würde Jason später dem Clan berichten, dass ihr Rho bestens gelaunt und lachend zum Kampf angetreten war? Vermutlich. Das konnte nicht schaden.
Als er jünger war, hatte Isen den Ruf eines ausgezeichneten Kämpfers gehabt. Zum Teil war das Training und Talent geschuldet, zum Teil dem Kalkül. Er brauchte diesen Ruf, deswegen hatte er sich seine Kämpfe sorgfältig ausgesucht, genauso wie die Veranstaltungen, an denen er bei einem Großtreffen der Clans teilnahm. Sein Vater war einhundertdreißig Jahre alt gewesen, als er geboren wurde – Isen war ein Nachzügler gewesen. Aber sehr geliebt und sehnlichst erwartet.
Sein Vater hatte schon drei Söhne verloren. Einen durch eine Kugel, einen anderen in einem Herausforderungskampf. Der dritte wurde von einem Leidolf-Killer ermordet, zumindest hatten sie das immer angenommen, auch wenn es dafür keinen Beweis gab. Isen wuchs in dem Wissen auf, dass seine Zeit mit seinem Vater nur kurz sein würde, und er hatte die Clanmacht übernommen, als er noch jung war.
Diese jugendlichen Kämpfe waren lange her, aber seine Kraft hatte nicht nachgelassen. Er hatte ausgezeichnete Selbstheilungskräfte, die von der Clanmacht noch verstärkt wurden. Auch mit schweren Verletzungen konnte er noch weiterkämpfen. Er war stark und ausdauernd – nicht so sehr wie früher, ja, aber immer noch überdurchschnittlich. Und er kämpfte am besten als Wolf.
Das war nicht so selbstverständlich, wie es schien. Junge Lupi trainierten in Wolfsgestalt, doch entweder kämpften sie instinktiv oder sie wurden besiegt. Die Kampfinstinkte eines Wolfes waren ausgezeichnet, und wenn der Mann versuchte, den Wolf zu kontrollieren statt sich auf ihn zu verlassen, beeinträchtigte das seine Reaktionen. Aber es gab sehr nützliche Reaktionen und Bewegungen, die nicht in der Natur des Wolfes lagen und die jene Lupi, die sich in einem Kampf allein von ihrem Instinkt leiten ließen, nicht nutzten. Hier machte sich das Alter bezahlt. Es hatte viele Jahre und langes Training gebraucht, bis Isen in einem Kampf nahtlos von einer Natur zur anderen übergehen konnte, indem er den Instinkt des Wolfes mit der Gerissenheit des Mannes kombinierte.
Isen hatte nur eine echte Schwäche. Es mangelte ihm an Schnelligkeit. Schon immer.
Das war leider mit dem Alter nicht besser geworden. Egal wie clever und gerissen der Kämpfer war, wenn er viel langsamer als sein Gegner war, würde er unterliegen. Man
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