Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
Sie alle hatten die 3-D-Karte studiert und Ausdrucke der zweidimensionalen Version bei sich, aber Arjenie war imstande, ihre genaue Route samt Tiefenangaben aus dem Kopf herzusagen.
Benedict stand stocksteif und den Blick nach vorn gerichtet. Er hob erneut die Hand, um ihnen anzuzeigen, dass sie zurückbleiben sollten, und schob sich langsam vorwärts, bis die Dunkelheit ihn verschlang.
Rule sah und hörte nichts. Es kam ihm sehr lange vor, doch in Wahrheit waren es wohl nur fünf Minuten gewesen, bis sich sein Bruder wieder aus der Schwärze löste. Als Benedict bei ihnen war, machte er die Handzeichen für folgen , springen und abwärts , hielt inne und fügte noch das Zeichen für Wasser hinzu.
Lucas tippte an Rules Arm. Rule beugte sich näher und subvokalisierte: »Vor uns geht es steil runter. Und es gibt Wasser.«
Benedict legte den Mund an Arjenies Ohr. Ohne Zweifel sagte er ihr dasselbe. Sie und Lucas konnten keine Gebärdensprache. Auch Rule beherrschte sie nicht fließend, aber alle, die bei Benedict ihre Ausbildung gemacht hatten, lernten die wichtigsten Begriffe. Subvokalisieren war praktisch, wenn man nahe genug beieinanderstand, aber mit Handzeichen konnte man, vorausgesetzt, man befand sich in Sichtweite, völlig geräuschlos mit dem ganzen Team kommunizieren.
Im Gänsemarsch ging es weiter, und schon nach ein paar Schritten nahm er den feuchten Geruch von Wasser wahr. Rules Herz schlug schneller vor Erwartung. Auf der Karte des USGS war an dieser Stelle ein Steilhang von fast sieben Metern eingezeichnet. Kein Wasser allerdings, aber die Karte war an einigen Stellen nicht sehr genau.
Diese Route hatten sie nicht ausgewählt, weil sie die schnellste oder kürzeste war, sondern weil sie hier auf weniger Abzweigungen stießen, an denen sie falsch abbiegen konnten. Da sie bisher an zwei Tunneleingängen vorbeigekommen waren, die nicht auf der Karte verzeichnet waren, war Rule geneigt, an der Gewissenhaftigkeit der Kartografen zu zweifeln. Die Alternative wäre, dass sie sich verlaufen hatten.
Ganz war er nicht überzeugt. Wenn dieser Steilhang nun tatsächlich wie erwartet sieben Meter tief war, wäre er viel zuversichtlicher. Denn das würde auch heißen, dass sie sich ihrem Ziel näherten.
Ein Ziel, das ihm nur allzu bekannt war. Das letzte Mal war Rule dort als Gefangener gewesen. Zusammen mit Lily und Cullen. Er hatte mit angesehen, wie sein Bruder gestorben war, weil er sich für Rule geopfert hatte. Und Lily hatte mit Helen gekämpft und sie getötet. Oh ja, dachte er grimmig. Er war sehr froh, dass sie nicht hier war. So blieb es ihr erspart, den Ort ihrer Albträume wiederzusehen.
Benedict blieb stehen und drehte sich um.
Seil ? Rule machte das entsprechende Zeichen mit der Hand. Als Benedict nickte, wandte Rule sich um und signalisierte es Sammy, der ihm die Seilrolle reichte.
Rule ging nah zu Arjenie und flüsterte ihr so leise, dass es kaum zu hören war, ins Ohr: »Aktiviere deine Gabe, und sieh mal nach, ob du da unten etwas wahrnimmst.«
Sie nickte, hielt inne. Dann schüttelte sie den Kopf und sagte stumm: »Nein.« Er nickte, schenkte ihr ein Lächeln und ging bis an die Kante vor.
Von hier an übernahm Rule die Führung. Sie hatten gewusst, dass sie mindestens an einer Stelle würden klettern müssen, und entsprechend vorausgeplant. Arjenie konnte nicht kämpfen, deshalb würde sie als Letzte hinabsteigen, nur für den Fall. Sobald Rule unten angekommen war und das Signal gab, würden die anderen sich gegenseitig sichern. Benedict und Arjenie kamen zuletzt. Da Arjenie weder an einem Seil herunterrutschen noch klettern konnte, wollte Benedict sie huckepack nehmen, vorausgesetzt, es gab eine Möglichkeit, das Seil zu befestigen. Falls nicht, ließ Benedict sie hinab, und Rule und die anderen bildeten eine Pyramide, um sie aufzufangen. Anschließend würde dann Benedict selbst hinunterklettern.
Immer angenommen, dass der Steilhang nicht tiefer als etwa sieben Meter war.
Lucas nahm das andere Ende des Seils, als Rule sich über die Kante hinunterließ.
Ohne die Rippenverletzung wäre das Abseilen ein Klacks für ihn gewesen. Doch auch trotz der Schmerzen stellte es kein großes Problem für ihn dar. Arjenie schickte ihm eine der schimmernden Leuchtkugeln mit, das half. Je tiefer er kam, desto stärker roch er das Wasser. Stehendes Wasser, stellte er fest. Ein Teich … ja, er sah die schwache Reflexion des magischen Lichts – ein kleiner Teich in der Mitte einer Felshöhle.
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