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Wolf Shadow Bd. 8 - Tödlicher Zauber

Wolf Shadow Bd. 8 - Tödlicher Zauber

Titel: Wolf Shadow Bd. 8 - Tödlicher Zauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Wilks
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Mondlicht auf dem großen Pool, den sie hatten bauen lassen, als Ruben die ersten Symptome bemerkte. Jahrelang war er brav geschwommen, bis er zu schwach dazu gewesen war.
    Ein dicker Mond spähte durch die Äste der riesigen Eiche, die sich auf der Ostseite des Gartens erhob. Nicht mehr lange, dann war Vollmond, stellte er fest. Schon jetzt konnte er den Unterschied mit bloßem Auge nicht erkennen, aber er wusste genau, wann es diesen Monat so weit war. Denn das Datum hatte dieser Tage eine besondere Bedeutung.
    Deb hatte so viel Arbeit und Herzblut in den Garten gesteckt. Sicher, es war ein Fehler, jemanden nur durch das Prisma seiner Gabe zu betrachten, doch dass Menschen mit einer Erdgabe dazu neigten, Wurzeln zu schlagen, war nicht zu leugnen. Deshalb war er nicht überrascht gewesen, als sie sich geweigert hatte, ihr Heim zu verlassen und ein sicheres Versteck aufzusuchen, worum er sie so inständig gebeten hatte.
    Und insgeheim hatte er, wie er jetzt in der Ungestörtheit der frühen Morgenstunde zugab, gehofft, sie würde sich weigern. Auch wenn er es ihr niemals zeigen würde, war es nämlich genau das, was er wollte. Mehr Zeit mit Deb. Jeden Augenblick, den er der Zeit stehlen konnte.
    Es war nicht das erste Mal, dass er diesen Traum gehabt hatte.
    Das Sidhe-Blut bewirkte noch mehr als seine Metallallergie. Obwohl es keinerlei Beweise dafür gab, glaubte Ruben fest daran, dass er ihm seine Gabe verdankte. Vielleicht nicht die Gabe selbst, aber ihre Stärke. Hellsehen konnten viele, doch nur wenige machten so präzise Vorhersagen wie er. Tatsächlich suchte eine Präzision wie seine ihresgleichen.
    Er war sehr, sehr gut. Besser, als er es bei diversen Tests zeigte. Die Menschen fühlten sich auch so schon unwohl genug, wenn sie es mit jemandem zu tun hatten, der bewiesen hatte, dass er die Zukunft manchmal mit siebzigprozentiger Sicherheit vorhersagen konnte. Da würden sie es schlicht nicht glauben, dass er in neunzig Prozent der Fälle recht hatte.
    Doch Deb wusste es. Deb wusste fast alles, was es über ihn zu wissen gab.
    Fast.
    Präkognition zeigte sich auf vielerlei Weise. Visuelle Präkogs – die, die buchstäblich die Zukunft sahen – waren am seltensten und die statistisch gesehen genausten, aber sie hatten fast keine Kontrolle über ihre Gabe. Die Visionen kamen oder eben nicht. Traum- oder Trancepräkogs kamen häufiger vor, aber ihre Genauigkeit schwankte enorm, weil oftmals die Träume, Stimmen, das automatische Schreiben oder die symbolischen Bilder einer Interpretation bedurften.
    Rubens Form der Präkognition kam bei Weitem am häufigsten vor – ein einfaches, stilles Wissen, das sich ohne viel Tamtam ankündigte, ein Wissen um das, was geschehen würde, das beinahe immer die nahe Zukunft betraf. Und im Allgemeinen war es auch die am wenigsten genaue Form. Präkogs, die »Vorahnungen« hatten, liefen schnell Gefahr, ihre eigenen Gedanken und Projektionen mit dem Wirken ihrer Gabe zu verwechseln. Und das passierte auch in mindestens der Hälfte der Fälle, normalerweise sogar öfter.
    Aber ihm nicht. Ruben kannte immer den Unterschied. Er verstand nicht, warum anderen das nicht gelang. Manchmal waren die Informationen, die seine Gabe ihm lieferten, so konfus, dass er sie nicht deuten konnte – die Zukunft war wunderbar formbar, wenn kein Mustersichter in die Gegenwart eingriff –, aber er kannte stets den Unterschied zwischen tatsächlichem Wissen und dem Lärm im eigenen Kopf.
    Doch alle Präkogs hatten zwei Dinge gemeinsam: Ihre Gabe zeigte sich bisweilen auf eine andere Art. Ein Trancepräkog hatte möglicherweise eine starke Vorahnung oder ein Vorahner einen wahren Traum. Und – aus Gründen, die oft diskutiert aber noch nie bewiesen wurden – sie waren blind für ihre eigene Zukunft.
    Gewöhnlich. Nicht immer.
    Hinter ihm rollte sich seine Frau, die Liebe seines Lebens, auf den Rücken und begann, leise zu schnarchen.
    Liebe und Kummer wirbelten in ihm auf, bis ihm schwindelig war und ihm die Tränen kamen. Noch war er am Leben. Nur das Hier und Jetzt zählte … vermutlich eine seltsame Philosophie für einen Präkog, aber nichtsdestoweniger wahr. In der Zukunft oder in der Vergangenheit konnte er nicht handeln, denken, fühlen. Nur in diesem Augenblick.
    War es sehr eigensüchtig von ihm, dieses eine Geheimnis für sich zu behalten? Wahrscheinlich ja. Nur einer einzigen Person hatte er von seinem immer wiederkehrenden Traum erzählt – seinem zweiten Mann in der Schatteneinheit.

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