Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
Vom Netzwerk:
merkwürdig schuldbewußt, dabei sah er fast angstvoll nach der offenen Tür.
    »Ich kann Ihnen aushelfen – spielen Sie auf eigene Rechnung!« Pagel hielt dem Rittmeister einen Geldpacken hin.
    »Nein, nein«, sagte der Rittmeister abwehrend. »Es ist zuviel – ich möchte nicht soviel …«
    (Keiner von beiden erinnerte sich in diesem Augenblick der Szene bei Lutter und Wegner, da der junge Pagel dem Rittmeister auch Geld angeboten hatte und mit der verächtlichsten Empörung zurückgewiesen worden war.)
    »Wenn Sie wirklich gewinnen wollen«, erklärte Pagel mit Nachdruck, »müssen Sie genug Betriebskapital haben. Ich kenne das!«
    Wieder nickte der Rittmeister. Langsam griff er nach dem Geldpaket. –
    Als von Studmann aus dem Treppenhaus zurückkam, war der Vorplatz leer.
    »Wo sind die Herren?«
    Der Wachtmeister machte eine Bewegung mit dem Kopf zur Tür des Spielzimmers.
    Von Studmann stampfte wütend mit dem Fuß auf. Er ging gegen die Tür. Aber er drehte sich entschlossen wieder um, er dachte zornig: Aber ich denke ja gar nicht daran! Ich bin nicht sein Kindermädchen! So nötig er eines hätte …
    Er ging zur Flurtür.
    Direkt neben ihm öffnete sich eine Tür, das Mädchen, mit dem Pagel den Streit gehabt hatte, trat heraus.
    »Können Sie mich die Treppe runterbringen?« fragte sie tonlos, undeutlich, als rede sie im Schlaf, als sei sie nicht ganz bei sich. »Mir ist schlecht, ich möchte an die Luft …«
    Von Studmann, das ewige Kindermädchen, bot ihr den Arm. »Aber gewiß. Ich wollte sowieso gehen!«
    Der Wachtmeister nahm aus der Garderobe einen silbergrauen Umhang und hing ihn der Frau über die nackten Schultern. Die beiden stiegen wortlos die Treppe hinab, das Mädchen lehnte sich schwer auf Studmanns Arm.

8
    Natürlich hatte der Spanner, und zwar derselbe, der den Herren hinaufgeleuchtet hatte, unten an der Tür gestanden und hatte sich nur nicht errufen lassen. Denn jedem Spieler, der fortgehen will, muß man die Möglichkeit geben, sich lange zu besinnen.
    Jetzt aber, da von Studmann mit dem Mädchen am Arm im Hausflur erschien, in den von außen der Schein einer Gaslaterne fiel, war er auch dieser Situation völlig gewachsen. Den Valutenvamp, die Walli, kannte er, und daß Geld und Liebe häufig miteinander Ringelreihe oder Bäumchen verwechselt spielen, war ihm auch nicht neu.
    »Auto?« fragte er, schwenkte jovial die trinkgeldgeöffnete Hand und erklärte, ehe von Studmann noch antworten konnte: »Warten Se man hier. Ich hol eines vom Wittenbergplatz.«
    Damit verschwand er, und von Studmann hatte Zeit, über das Verfängliche seiner Situation nachzudenken, hier im dunklen, unverschlossenen Flur eines unbekannten Hauses, mit einem unbekannten Mädchen am Arm. Oben aber war ein Spielklub – und nun brauchte nur noch ein Mann der Wach- und Schließgesellschaft zu kommen –!
    Es war wieder einmal alles recht peinlich, und der heutige Tag hatte von Studmanns Bedarf an peinlichen Situationen voll und ganz gedeckt! Es war ein verfluchtes Leben in dieser Zeit; ein Mann konnte nie wissen, was in der nächsten Viertelstunde passieren würde; ob noch Geltung besitzen würde, was eben galt.
    Studmann hatte sich ehrlich gefreut, als er heute morgen seinen alten Regimentskameraden getroffen hatte. Prackwitz hatte sich dann fabelhaft anständig benommen, ohne sein Dazutun wäre nie etwas von einem Geheimrat Schröck an Studmanns Ohr gedrungen, sondern man hätte ihn ziemlich mit Schimpf und Schande davongeschickt. Auch die Aussicht, mit Prackwitz aus diesem Höllenpfuhl auf das ruhige Land zu gehen, war sehr schön gewesen – und nun saß dieser selbe Prackwitz da oben, verschluderte in der dümmsten Weise sein Geld – und hatte ihn bereits »Kindermädchen« geschimpft!
    Er brauche kein Kindermädchen – wahrhaftig, er brauchte eines, und das sofort! Wenn von Studmann daran dachte, daß die beiden nun wieder in dem Spielzimmer saßen, wenn er sich der unsinnigen Geldpakete des jungen Pagel erinnerte, und die Geiernase und der Raubvogelblick des Spielhalters kamen ihm sehr deutlich vor die Augen, so wußte er, daß er – Kindermädchen oder nicht Kindermädchen – sofort die Treppe hinaufzusteigen und dieser selbstmörderischen Spielerei ein Ende zu machen hatte.
    Aber dieses Mädchen, dieses unselige Mädchen an seinem Arm –!
    Es schien nicht ganz bei Besinnung – kein Wunder übrigens nach dem harten Schlag! Es zitterte, riß an seinem Arm, klapperte mit den Zähnen, flüsterte wieder

Weitere Kostenlose Bücher