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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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wieder ein. Er saß mit einem ablehnenden Gesicht in einer Ecke und starrte so gefesselt in den Rauch der Zigarette, daß der Rittmeister sich in das andere Ende des Abteils zurückzog und auf die eigenen Zeitungen besann, mit denen er nun auch kräftig zu knittern anfing. Zu einem richtigen Lesen kam er aber nicht;er mußte immer weiter über die rätselhaften Reden des Offiziers nachdenken, über diese orakelhaften Sprüche vom tüchtigen, zu tüchtigen Schwiegervater, von der Fahrkarte, die man vorher bezahlen muß, und von dem Auto, das man nicht bezahlen soll … Ein recht lebhafter Ärger faßte den Rittmeister schon wieder trotz seiner langwöchigen Sanatoriumsruhe; wenn er daran dachte, wie der junge Mann ihn im Walde behandelt hatte, fand er, dieser Fall war noch gar nicht bereinigt, und wenn er dazurechnete, wie ihn der pergamentene Mann heute behandelt hatte, so fand er wiederum, es mußte irgend etwas geschehen …
    Die beiden dort drüben fingen miteinander zu flüstern an; der Rittmeister fand Flüstern unfein, besonders, da sie natürlich über ihn flüsterten. Schließlich war er kein dummer Junge, sondern ein verdienter Offizier und erfolgreicher Landwirt. Wenn man vor Damen solche Dinge nicht bespricht, so flüstert man erst recht nicht vor älteren Herren! Der Rittmeister hatte gut eingeheizt, er versetzte seiner Zeitung einen kräftigen Schlag, trotzdem es die »Deutsche Tageszeitung« und kein Asphaltblatt war. Die beiden Herren sahen hoch, der Streit konnte beginnen – da fuhr der Zug langsamer. Schon waren sie in Frankfurt, der Rittmeister mußte hinaus, umsteigen – man sollte auch seinen Zorn schneller in Gang setzen.
    »Sie steigen aus, Herr Rittmeister?« fragte der Leutnant höflich und angelte nach des Rittmeisters Koffer.
    »Ich steige um!« rief der Rittmeister zornig. »Bitte, bemühen Sie sich nicht!«
    Trotzdem turnte der Leutnant den Koffer aus dem Netz auf die Bank.
    »Ich bin beauftragt, Ihnen mitzuteilen«, sagte er dabei leise und sah den Rittmeister nicht an, »daß wir übermorgen, am ersten Oktober, eine Art Kameradschaftstreffen in Ostade haben. Bitte morgens sechs Uhr. In Uniform. Etwaige Waffen sind mitzubringen.«
    Jetzt sah er den Rittmeister an, der Rittmeister war überwältigt. Er war so überwältigt, daß er »Zu Befehl!« sagte.
    »Gepäckträger!« rief der Leutnant aus dem Abteilfenster und beschäftigte sich mit des Rittmeisters Gepäck. Nun, wo es interessant wurde, mußte der Rittmeister aus dem Zug.
    Er sah den Herrn in der Ecke an, der Herr in der Ecke hatte die Beine weit von sich gestreckt, das Einglas baumelte am Band, die Augen waren geschlossen, er schien zu schlafen. Unentschlossen, aber respektvoll stieg der Rittmeister über die schlafenden Beine fort, er murmelte: »Guten Morgen!«
    »Aber mit ’nem Auto, verstanden?!« murmelte die Mumie und schlief schon wieder.
    Der Rittmeister stand halb betäubt auf dem Bahnsteig; der Gepäckträger erkundigte sich zum dritten Male, wohin er das Gepäck denn tragen solle. Erst meinte der Rittmeister, nach Neulohe, dann, nach Ostade.
    »Ach, nach Ostade wollen Sie fahren«, sagte der Gepäckträger. »Da sind Sie aber falsch, da hätten Sie die Landsberger Strecke fahren müssen.«
    »Nein, nein!« rief der Rittmeister ungeduldig. »Ich will ein Auto haben! Gibt’s hier Autos zu kaufen?«
    »Hier –?« fragte der Gepäckträger und sah erst den Rittmeister und dann den Bahnsteig an. »Hier?!!«
    »Ja, hier in Frankfurt!«
    »Aber natürlich gibt’s hier Autos zu kaufen, Herr«, sagte der Gepäckträger beruhigend. »Das können Sie hier alles haben. Das machen sie meistens so, die Berliner kommen mit ’m Zug hierher und kaufen sich in Frankfurt ihre Autos …«
    Der Rittmeister ließ den Mann reden, er ging ihm sogar nach. Alles war ihm klargeworden: Er hatte den Offizier gesehen, der ihm hundertmal beschrieben worden war, den er aber nie zu Gesicht bekommen hatte: den Major Rückert, der den großen Putsch gegen die Regierung vorhatte. Übermorgen früh um sechs sollte es losgehen, in Ostade, und der Rittmeister sollte mit dabeisein, in einem Auto!
    Der Schwiegervater war ein zu tüchtiger Mann, er wollte erst den Putsch und den Erfolg des Putsches sehen, ehe er sich seine Fahrkarte kaufte. Der Rittmeister war nicht so geschäftstüchtig,er würde sich sofort das Auto kaufen, auf Wechsel! Es war nicht geschäftstüchtig, aber es war richtig!
    Willenlos ließ sich der Rittmeister von seinem Gepäckträger

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