Wolfgang Ambros - Die Biografie
hat. Die Kombination schien mir recht passend und ich präsentierte sie stolz. Am Schlagzeug Alfred Zastera. An der Gitarre Seppi Kuluntschitsch. Am Bass Heinz Jäger. Am Klavier der Simmerl. Und unser Robert Horky an der Querflöte. Das war unsere Besonderheit. Er hat nichts anderes gespielt als Querflöte, zu jedem Lied, ein bissel nervig, aber er wollte halt auch was zu tun haben. Und wir waren keine Unmenschen und ließen ihn in seine Flöte blasen.
Unser Manager war so freundlich, uns einen Transitbus zu organisieren. Da sind wir sechs drinnen gesessen, samt der Anlage, wir waren überladen, als würde ein rumänisches Dorf übersiedeln. Die Technik organisierten wir uns selber, wenn wir Glück hatten, mit ein paar Helfern vor Ort. Wir haben den ganzen Krempel aufgestellt, alle Kabel verlegt, die Monitore postiert, es war unvorstellbar. Die Auftritte schieben sich im Gedächtnis übereinander, Schlieren hinter dem Vorhang zur Vergangenheit. Ein Hotel gab es in den seltensten Fällen, das war dem Veranstalter meistens zu teuer und auch nicht üblich damals. Der Bus war unser Zuhause und irgendwann ist er unter uns zusammengebrochen. Getriebeschaden. Wir schafften es gerade noch auf einen Parkplatz bei Mondsee, dann war Endstation. Daran erinnere ich mich noch wie gestern, jedes Mal, wenn ich vorbeifahre.
Damals hast du kein Handy aus der Tasche geholt und den Touring-Club angerufen. Was vor allem deshalb saublöd war, weil wir zu einem Konzert in Salzburg mussten, noch dazu einem richtig seriösen Auftritt im Mozarteum, wo die Leute nicht gerne warten, wenn sie einmal auf ihren Plätzen sitzen. Wir haben geschaut, dass wir zum nächsten Telefon kommen, und haben dort angerufen, leicht verzweifelt. Denen in Salzburg dürfte es ähnlich gegangen sein, sie haben uns abgeholt, wir haben alles umgeräumt und standen mit bemerkenswerter Verspätung auf der Bühne. War trotzdem fein. Reden manche Leute heute noch davon, dass das ein besonders guter Gig war.
In der Zwischenzeit klang uns der Widerhall, den das erste Album erzeugt hat, schon erfreulich kräftig in den Ohren. Doch bevor wir noch überlegen konnten, was man jetzt als Nächstes zu tun hat als schon etwas erfolgsverwöhnter, aber doch noch recht frischg’fangter Popstar, spielte uns ein Wiener Kulturereignis in die Hände. Dass wir je etwas mit den Wiener Festwochen zu schaffen haben würden, hätte sich niemand zu wetten getraut. Da hätte man sich mit geschlossenen Augen das Allerheiligste abhacken lassen, sofern man überhaupt auf die Idee verfallen wäre, dass dort jemand von uns einen Beitrag in Erwägung zieht. Ulrich Baumgartner zog noch was ganz anderes in Erwägung.
Der Generalintendant der Wiener Festwochen überraschte Joesi und mich mit einer Einladung ins Rathaus. Heilige Hallen, hohe Räume, schwerer Marmor. Die Geschichte hatte sich kunstvoll in den Stuck gefressen, aus jeder Ritze roch es nach hoher Kommunalpolitik. Der Herr Baumgartner dürfte die Jagd geschätzt haben, er grüßte uns mit einem »Weidmannsheil, die Herrschaften!« und unterbreitete uns den Grund, dessentwegen er diese spontane Pirsch einberufen hatte.
Sein Konzept hatte etwas durchaus Grandioses. Es ging darum, die Wiener Festwochen zu entstauben. Allerdings nicht in einer direkten Offensive, um das Publikum nicht frontal zu irritieren, sondern in Form eines Gegenfestivals. »Bevor das irgendwem anderen einfällt, mache ich es selber«, erklärte Baumgartner. Arena72 hieß das Projekt und sollte eine alternative Veranstaltung im Zwanzgerhaus sein, dem Museum des 20. Jahrhunderts hinterm Südbahnhof auf dem Areal vom Arsenal.
Was er von uns wollte, hing mit der Truppe zusammen, die er bereits engagiert hatte. Nämlich die Leute vom Young Vic Theatre in London, einer Splittergruppe des Old Vic Theatre in Chelsea, eine der ehernen Institutionen der gesamten englischen Theaterlandschaft. Das Londoner Burgtheater, wenn man will. Ehrwürdig, aber ebenfalls leicht verstaubt. Und deshalb hatte ein dortiger Regisseur namens Frank Dunlop so ziemlich das Gleiche durchgezogen, wie Baumgartner es mit den Festwochen vorhatte. Dunlop formierte mit jungen Mitgliedern des alten Hauses ein spritziges Ensemble, um verkrustete Strukturen aufzubrechen. Baumgartner schwebte für sein kulturelles Reinemachen genau das Stück des englischen Dichters und Bühnenautors Ben Jonson vor, das Dunlop gerade in London probierte: The Alchemist. Jonson war ein Poet des 16. Jahrhunderts, ein
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