Wolfgang Ambros - Die Biografie
sogar in Helgoland aufgetreten. Wir haben das hehre Genre des Heimatepos zertrampelt, die Dramatik dieser drei Millimeter, um die der Held das Edelweiß grad nicht erwischt und sich mit der kraftlosen Hand an den Felsen klammert, bevor er in die Ewigkeit abrutscht. Bei uns haben die Knechte Dirndln getragen und die Mägde sich die Bluse heruntergerissen, bis sie mit blankem Busen über dem Korsett und in Strapsen im Rampenlicht standen.
Es gab keine Sünde auf unserer Alm, die wir nicht begangen hätten. Auf und hinter der Bühne. Wir haben uns diesen Berg gegeben, bis wir nicht mehr gewusst haben, wo oben und unten ist. Danach war ich reif für einen Urlaub und fuhr nach Waidring.
Leser: »In die Berge.«
Komischerweise, ja. Das habe ich gebraucht nach diesem Höhenflug. Echte Felsen statt den Pappmascheehügeln, wirklicher Schnee statt dem Bühnenpulver. Es war eine Art Patchwork-Ausflug. Die Fendrichs, die Familie Kolonovits, die Margit, der Matthias und meine Wenigkeit. Vier Wochen in einem Haus, war auch nicht ganz gesund für die Leber.
Und irgendwann um vier Uhr in der Früh sitzen der Heinz Kienpointner und ich im Wohnzimmer. Alle sind schon weggekippt, sagt er: »Jetzt wäre es natürlich schon leiwand, wenn wir noch wo hingehen könnten.« Um vier in der Früh steppt in einem Tiroler Dorf wie Waidring auch nicht unbedingt der Bär. In dieser denkwürdigen Nacht entstand der Plan: Wir bauen uns eine Disco. Damit wir endlich noch wo hingehen können, wenn die Sperrstund überschritten ist.
So was geht natürlich nicht über Nacht, obwohl alles so gut lief, dass wir das damals mitunter geglaubt haben. Mir ist der Plan sogar fast wieder entfallen über all den anderen Bauvorhaben. Inder Achau in Niederösterreich machten Peter Koller, Junker Babich und ich gerade aus einer alten Dachpappenfabrik die Powersound Factory, genannt die Fabrik, unser eigenes Studio, teilweise ausgestattet mit dem Equipment aus Farians Europa-Sound-Studio in Frankfurt. Das Haus in der Pfalzau war eben fertig. Und das in Petraki gerade in Arbeit. Ich war ziemlich beschäftigt, mir meine eigene Welt zu bauen, eine Disco hat mir dazu eigentlich nicht gefehlt. Aber in Griechenland hat sie mich doch eingeholt.
Ich saß in Milina im Wirtshaus beim Panoukla, dem Griechen, der bei uns Pest hieß, da läutete das Telefon und der Panoukla winkte mich rein: »Telephono, Telephono! Austria, Austria! Heinz, Heinz!«
Ich kannte mich zuerst gar nicht aus, was der Heinz von mir wollte. Ich verstand nur, ja, ja, alles im Laufen, er habe einen Grund und schon alles in die Wege geleitet mit der Gemeinde und wir würden das ganz günstig kriegen und überhaupt. Aber in Griechenland stört einen das nicht weiter, man muss nicht alles verstehen, also sagte ich: »Super, tu nur, passt schon.«
Er hat getan und es hat gepasst, wie ich mich etwas später in Wien überzeugen konnte. Wir sind gerade mitten in unserer Plattenpräsentation von Der letzte Tanz auf der Praterwiese in Wien, zu der für mich völlig überraschend der Wiener Bürgermeister mit seiner Frau hereinspaziert. Er schält sich einfach aus der Menge heraus und gratuliert mir. Und während ich gerade denke, wau, der Helmut Zilk kommt zu meiner Präsentation, ein Wahnsinn, biegt auch noch der Heinz Kienpointner ums Eck und sagt: »Griaß di, ich hab mir gedacht, hier find ich dich auf jeden Fall.«
»Na, servas«, sage ich. »Du? Von so weit her? Wegen mir?«
»Nicht nur«, sagt er, macht einen schwarzen Lederkoffer auf und zieht ein paar Papierbögen heraus. »Ich hab die Pläne mit.«
»Was für Pläne denn?«, frage ich.
Schaut er mich an mit einem Bauherrnblick: »Die von unserem Projekt. Der erste Stock von der Disco steht schon.«
Kurz wird mir ein bissel anders, so zwischen gegenwärtigerPlattenpräsentation und Tiroler Zukunftsmusik, aber der Heinz ist ganz in seinem Element. Sie würden schon im Akkord bauen, erzählt er, der Keller sei ausgehoben, die Mauern stehen, als Nächstes wird die Heizung eingebaut. »Ich brauche nur mehr eine Unterschrift von dir.«
Ich gebe sie ihm, bin ja nicht einer, der sich vor irgendetwas drückt. Gerechnet habe ich nicht mit der Verve dieser Dampfwalze aus Tirol, die eine Schnapsidee mir nix, dir nix unter Dach und Fach bringt.
Ich bin dann natürlich hingefahren und habe mir angeschaut, wie weit das Ding gediehen ist. Immerhin sollte es in dem Gebäude auch eine Wohnung für die Margit, den Matthias und mich geben. So war’s auch,
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