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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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sie nicht wußte, vielleicht aber auch, weil er sie insgeheim sehr wohl kannte, aber sie nicht aussprechen wollte. »Gib mir noch ein wenig Zeit«, sagte er ausweichend. »Einige Tage. Ich werde . . . schon eine Lösung finden.«
    Katrin blickte ihn traurig an. Sie hatte eine andere Antwort erwartet, begriff Tobias, und dieser Gedanke tat ihm weh. Hatte er wirklich geglaubt, daß sie nichts forderte?
    Daß sie stumm abwartete, bis er sein Urteil fällte?
    Plötzlich klopfte es an der Tür, und Tobias empfand eine große Erleichterung, daß sie nun nicht mehr weitersprechen konnten.
    Es war Maria. Sie stand mit einer Schale dampfender, würzig riechender Brühe und einem halben Laib Brot drau-
    ßen auf dem Gang, und Tobias beeilte sich, die Tür zu öffnen und zurückzutreten, damit sie an ihm vorbeigehen konnte.
    »Bresser will Euch sprechen, Pater Tobias«, sagte sie, während sie das Bett ansteuerte. Tobias bedankte sich mit einem Kopfnicken, warf Katrin zum Abschied ein flüchtiges Lächeln zu und ging hinunter. Bresser saß auf der Bank unter dem Fenster und hatte die Hände auf der Tischplatte vor sich gefaltet, als er eintrat. Bressers Finger spielten nervös miteinander, und seine Lippen bewegten sich lautlos, als übe er die Worte, die er Tobias sagen wollte.
    Es war stickig im Zimmer. Tobias trat ohne ein Wort an Bresser vorbei zum Fenster, öffnete es und atmete mehrmals hintereinander tief ein und aus, als frische Luft ins Zimmer strömte. Und ungeachtet des süßlichen Verwesungsgestan-240
    kes, der schon wieder über der Stadt lag, ging das Leben draußen seinen gewohnten Gang. Menschen bewegten sich hierhin und dorthin, standen zu zweit oder in kleinen Grup-pen und redeten. Und doch war etwas anders als sonst.
    Plötzlich begriff er es: Auf der anderen Seite des Platzes, dem Turmhaus gegenüber, standen zwei Männer und blickten zu ihnen herüber. Sie starrten ihn geradewegs an, nicht aus Zufall, sondern aus Berechnung. Sie mußten spüren, daß Tobias sie entdeckt hatte, aber es störte sie nicht, vielleicht auch wollten sie, daß er sie sah.
    Tobias verscheuchte den Gedanken, drehte sich mit einem Ruck vom Fenster weg und blickte Bresser an.
    »Ihr wolltet mich sprechen?«
    Bresser sah auf und legte seine Hände flach auf die Tischplatte. Er nickte. »Ich habe mir Sorgen um Euch gemacht, Pater Tobias«, sagte er. »Ihr hättet gestern abend nicht allein losreiten dürfen.«
    Tobias runzelte verärgert die Stirn. »Ich dachte, darüber hätten wir schon gesprochen«, sagte er.
    »Das haben wir. Aber Ihr . . .« Bresser stockte, fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen und schien nach Worten zu suchen. »Darf ich ganz offen sein?« fragte er schließlich.
    »Natürlich.«
    »Ihr benehmt Euch . . . nicht sehr umsichtig, Vater«, begann Bresser vorsichtig. »Ihr seid gewarnt worden, von mir, vom Grafen und anderen. Und Ihr habt selbst . . .
    gewisse Dinge gesehen. Ihr solltet all diese Warnungen nicht in den Wind schlagen.«
    Tobias legte den Kopf schräg und sah Bresser beinahe lauernd an. »Ist das eine Drohung?«
    »Nein«, antwortete Bresser fast erschrocken. »Aber eine Warnung. Es hilft niemandem, weder Euch noch der Hexe oder den Menschen hier, wenn Euch etwas zustößt.«
    Tobias antwortete nicht sofort, sondern ging um den Tisch herum, setzte sich und sah Bresser eine ganze Weile durchdringend an. »Und was sollte mir zustoßen?« fragte er schließlich.
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    »Ich weiß es nicht«, antwortete Bresser in einer Art und Weise, die deutlich machte, daß er es sehr wohl wußte. »Doch Ihr solltet vorsichtiger sein. Nicht nur mit dem, was Ihr tut.«
    Tobias schwieg. Das war eine Warnung; so deutlich, wie sie nur sein konnte. »Ich weiß Eure Sorge um mich zu schätzen, Bresser«, sagte er nach einer Weile. »Aber sie ist überflüssig. Niemand würde es wagen, Hand an einen Inquisitor zu legen, der im Dienste Gottes handelt.«
    Bresser schien diese Ansicht zu bezweifeln, aber er zog es vor, das Thema zu wechseln.
    »Ihr habt über das nachgedacht, was ich Euch gestern über die Hexe sagte?« fragte er.
    Tobias blickte ihn fragend an.
    »Sie kann nicht weiter in meinem Haus bleiben«, erklärte Bresser. »Sie ist schon wieder ganz gesund. Es gibt keinen Grund mehr, sie länger hier zu lassen. Die Leute fangen bereits an zu reden.«
    »Über wen?« fragte Tobias. »Über sie oder über mich?«
    »Ich will es nicht, basta!« sagte Bresser mit einer entsprechenden Handbewegung. »In

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