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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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irgendwelche Hexen oder Dämonen.
    Du hast Buchenfeld kennengelernt. Sie sitzen in ihren Häusern und zittern, wenn der Wind um die Dächer pfeift.
    Schau dich um! Eine Stadt von tausend Seelen. Sie haben nicht einmal einen Priester hier. Ist dir das noch nicht aufgefallen?«
    Natürlich hatte er diesen Umstand bemerkt, es hatte ihn mehr verwundert als so manches andere. Und doch hatte er sich nie einen Reim darauf machen können.
    »Und weißt du, warum?« Katrins Stimme klang noch
    erregter. »Sie haben ihn davongejagt und das Gotteshaus, das nur eine elende Bretterhütte gewesen war, eingerissen.
    Vor vier Jahren, als ich hierherkam, gab es einen Pfarrer.
    Aber danach begann das, was du gerade als >erschreckende Dinge< bezeichnet hast.«
    »Was?« fragte Tobias rasch.
    Katrin zuckte mit den Achseln. »Ein Unwetter, eine Seu-che unter den Tieren, eine schlechte Ernte . . . Was eben geschieht, wenn eine Stadt ein schlechtes Jahr oder auch zwei hat. Der Pfarrer war ein Dummkopf. Statt den Leuten Mut zu machen, fing er an, ihnen die Schuld an ihrem Schicksal zu geben. Er faselte irgendwelches dummes Zeug 233
    von Gottes Strafe - für Dinge, die sie vermutlich nie getan haben. Er erlegte ihnen Bußen auf, er beschwor sie zu beten.«
    »Was ist daran närrisch?« fragte Tobias.
    »Nichts«, antwortete Katrin. »Nichts, wenn man den
    Menschen gleichzeitig Mut macht. Aber das hat er nicht getan. Und sie ihrerseits begannen nach kurzer Zeit, ihm und seinem Gott die Schuld zu geben. Aber sie fragten nicht, warum die Tiere krank wurden oder die Ernten auf den Fel-dern verdorrten, und irgendwann jagten sie den Pfarrer aus der Stadt und Gott aus ihren Herzen.«
    Tobias blickte sie zweifelnd an. Was Katrin erzählte, das war . . . unvorstellbar. Möglich vielleicht in einem kleinen Dorf am Ende der Welt, in irgendeiner Stadt im Osten, in der die Macht der Kirche nicht gefestigt war - aber hier?
    »Und . . . daraufhin geschah nichts?« fragte er zweifelnd.
    Katrin lächelte. »Oh, natürlich war es nicht so einfach«, sagte sie. »Niemand nahm einen Stock und schlug ihn damit. Aber der Pfarrer spürte, daß die Menschen sich mehr und mehr von ihm abwandten. Er war ein Dummkopf. Er verlegte sich auf Drohungen, statt nachzudenken, was er besser machen könnte, und eines Tages ging er zum Grafen.«
    Sie lachte bitter. »Du hast Theowulf kennengelernt.«
    Tobias nickte. »Ja.« Es fiel ihm nicht allzu schwer, sich vorzustellen, wie der Landgraf reagiert hatte. Wahrscheinlich war dem Pfarrer hinterher gar nichts anderes übriggeblieben, als Buchenfeld zu verlassen, wollte er sein Gesicht wahren und sich nicht für alle Zeiten lächerlich machen.
    Trotzdem begriff er nicht, warum der Bischof keinen Nachfolger geschickt hatte oder gleich eine Untersuchungskom-mission, die genauer in Augenschein nahm, was hier in Buchenfeld vor sich ging.
    »Und du?« fragte er.
    Katrin sah ihn lange und durchdringend an. »Du weißt, was ich von der Kirche halte«, sagte sie.
    Nach allem, was Hegenwald ihr angetan hatte, verachtete sie die Kirche und alles, was damit zu tun hatte, und doch war sie ein religiöser Mensch. Tobias kannte mehrere Män-234
    ner und Frauen, die ähnlich dachten. Manche mochten ihre Schwierigkeiten mit der Inquisition bekommen haben.
    »Erzähl mir von Verkolt«, sagte er. »Was war er für ein Mensch?«
    »Das ist nicht so leicht zu sagen«, antwortete Katrin nachdenklich. »Er war ein guter Mann - aber er war auch ein Ungeheuer.«
    Tobias sah sie fragend an.
    »Er war gut zu mir«, erklärte Katrin. »Und er war gut zu denen, die er kannte und mochte. Zu den anderen war er wie Stein. Einmal haben wir gehungert, weil er der Familie eines Freundes das letzte Essen gab, das wir besaßen, aber ich habe auch erlebt, daß er ein Kind sterben ließ, weil seine Mutter kein Geld hatte, Medizin zu kaufen. Was soll man von einem solchen Menschen halten?«
    »Hat er dich geschlagen?« fragte Tobias leise.
    Katrin lächelte. »Selten«, sagte sie. »Einmal oder zweimal vielleicht, wenn wir Streit hatten, aber das kam nicht sehr oft vor.«
    »Nur, wenn du gegen seinen Willen Medikamente verteilt hast«, vermutete Tobias.
    Katrin sah überrascht auf. »Ich sehe, du hast wirklich schon mit einigen Leuten geredet«, sagte sie.
    »Das habe ich«, sagte Tobias. »Und um so weniger verstehe ich, daß ich dich vor drei Tagen in diesem Turm gefunden habe.«
    Katrins Lächeln wurde böse. »Wißt Ihr denn nicht, ehrwürdiger Mönch, daß der

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