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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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als ihm klar wurde, daß sie nicht auf ihn hören würden. Und selbst 237
    der Graf hat ihnen verboten, den Brunnen weiter zu benutzen, nachdem die ersten krank wurden und einige Tiere, die von dem Wasser tranken, starben. Aber sie haben erst darauf gehört, als es zu spät war.«
    »Du glaubst, es hat mit dem See im Wald zu tun?« vermutete Tobias.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Katrin. »Wüßte ich es, wäre ich wahrscheinlich nicht hier.«
    »Dieser See . . .« Tobias sah sie durchdringend an. »Was ist damit geschehen? Du sollst sehr oft dort gewesen sein.
    Einige Laute behaupten, sie hätten unheimliche Laute gehört und Lichter gesehen.« Für einen ganz kurzen Moment hatte er das Bild noch einmal vor Augen: das unheimliche grüne Leuchten, das aus dem winzigen Waldstückchen herüber-drang, wie der giftige Widerschein eines Höllenpfuhls.
    »Ja«, antwortete Katrin. »Ich war oft am See. Das Wasser war niemals so, daß man es getrunken hätte. Es eignet sich schlecht, den Durst zu löschen, aber es enthält Salze, die gut gegen manche Krankheiten sind. Verkolt hat oft Wasser von dort geholt, um seine Medikamente zu mischen. Und er hat mich hingeschickt, um es für ihn zu tun, als er zu alt und der Weg zu beschwerlich für ihn wurde.«
    Diese Erklärung klang beinahe einleuchtend, fand Tobias, aber es war nicht die ganze Wahrheit. Schließlich hatte er das Licht selbst gesehen. »Und die Lichter und Geräusche?«
    fragte er.
    Katrin machte einen abfälligen Laut. »Dummes Gerede!«
    antwortete sie. »Du kennst die Leute. Sie reden viel Unsinn.
    Ich weiß nicht, was mit diesem verhexten See passiert ist, niemand hier weiß das. Vor etwas mehr als einem Jahr fing das Wasser an zu riechen und faulte. Auch Verkolt wurde davon krank.«
    Tobias fiel es schwer, ihr zu glauben, nach allem, was sie ihm zuvor über den Brunnen erzählt hatte.
    »Es war zu spät, als wir es merkten«, sagte Katrin, der seine Zweifel nicht entgangen waren. »Er kannte die hei-lende Kraft dieses Wassers, und er litt seit langen Jahren unter der Gicht, so daß er dann und wann etwas davon 238
    trank. Es verdarb nicht von einem Tag auf den anderen, sondern ganz langsam, unmerklich zuerst. Als es so deutlich wurde, daß wir es spürten, da hatte er schon zuviel davon getrunken. Er wurde krank.«
    »Und starb daran?« fragte Tobias zweifelnd.
    »Nein«, antwortete Katrin. »Nicht daran. Aber das Fieber schwächte seinen Körper so, daß er sich nicht mehr davon erholte. Ich habe ihn gepflegt so gut ich konnte, aber er war ein alter Mann und ich bin kein Arzt.«
    »Man hat mir erzählt, daß du jede Hilfe abgelehnt hast«, sagte Tobias.
    »Hilfe?« Katrin schnaubte abfällig. »Welche Hilfe? Diesen Quacksalber, den mir der Graf aus der Stadt kommen ließ?
    Oder dieses alte Kräuterweib, das ihn binnen eines Tages zu Tode gepflegt hätte?«
    »Du sollst niemanden mehr an ihn herangelassen haben«, sagte Tobias.
    Diesmal antwortete Katrin nicht gleich, und ein sonderbarer Ausdruck, eine Mischung aus Trauer, Schmerz und Resignation, trat in ihre Augen. »Das stimmt«, sagte sie nach einer Weile sehr leise und mit einem bitteren Klang in der Stimme. »Ich war . . . verzweifelt. Ich wußte, daß er starb.
    Ich habe versucht, für ihn zu tun, was ich konnte, aber es war nicht genug. Vielleicht war es ein Fehler.«
    »Das war es«, sagte Tobias.
    »Ich habe ihn . . . sehr gemocht«, sagte Katrin leise. »Er war ein alter Mann, manchmal konnte er recht grausam sein, aber er war mir nicht gleichgültig. Ich war einfach verzweifelt, als mir klar wurde, daß ich ihn verliere.«
    Dieses Gefühl der Verzweiflung verstand Tobias nur zu gut. Man lebte nicht fünf Jahre mit einem Menschen zusammen, ohne etwas für ihn zu empfinden.
    »Wirst du mich verurteilen?« fragte Katrin plötzlich.
    Die Frage überraschte Tobias in ihrer Offenheit so sehr, daß er nichts antworten konnte, sondern sie nur verwirrt anblickte, ehe er sich schließlich in ein mattes Lächeln flüchtete.
    »Wirst du es tun?« fragte Katrin noch einmal. »Du hast 239
    Zeit genug gehabt, mit allen hier zu reden. Du hast mit Bresser gesprochen, mit dem Grafen und sicherlich auch mit vielen anderen.«
    »Natürlich«, antwortete Tobias hilflos. »Aber nichts von dem, was ich gehört und gesehen habe, reicht aus, dich oder irgendeinen anderen zu verurteilen.«
    »Aber auch nicht, mich freizusprechen«, sagte Katrin leise.
    Tobias blieb ihr die Antwort auf diese Frage schuldig; vielleicht, weil er

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