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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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Angst, sondern ebenso eine wilde, satanische Freude, ein Erwarten, das ihn innerlich frösteln ließ.
    Noch immer rührte sich der Knochenreiter nicht. Aber jetzt setzten sich die anderen, wie auf ein geheimes Zeichen hin, wieder in Bewegung, so daß auch diese zweite, kleinere Gruppe einen Halbkreis bildete, die Hälfte eines kleinen Ringes, der von der größeren Hälfte eines viel größeren umge-ben wurde . . .
    Und erst jetzt erkannte Tobias, daß es nicht nur ein Halbkreis war. Die Linie der Buchenfelder bildete drei scharfe, voneinander abgegrenzte Halbkreise, immer einer größer als der andere, so daß - wenn er die Figur in Gedanken vollendete - sich ein System konzentrischer, immer kleiner werdender Ringe bildete, in dessen Zentrum sich das Dutzend Knochenreiter befand. Und der Anblick erinnerte ihn an den Hexenkreis im Wald, den er selbst gesehen und den er in seinem Traum auf so furchtbare Weise wieder besucht hatte.
    Der monotone Summgesang der Menge begann sich nun
    zu ändern. Ihre Lippen bildeten noch immer diese scheinbar sinn- und bedeutungslosen Laute, aber der Rhythmus wurde schneller, hektischer und zugleich noch drohender. Gleichzeitig begannen sie, die Oberkörper sanft hin- und herzuwie-gen, wobei sich die drei Halbkreise, die sie mit ihren Leibern bildeten, gegeneinander bewegten, so daß die ganze riesige Menschenmenge zu einer einzigen zuckenden Masse zu werden schien. Der Knochenreiter besah sich auch dieses Schau-spiel eine geraume Weile schweigend, dann hob er wieder die Hand, und nicht nur die Bewegung, sondern jeder Laut der Menge verstummte abrupt. Es wurde fast unheimlich still. Selbst der Wind war erloschen, als hielte die Natur den Atem an angesichts des gotteslästerlichen Geschehens, das sich hier abspielte.
    »Genug!« rief der Mann mit dem Knochengesicht mit weit schallender, unheimlich dröhnender Stimme. »Ich habe euch heute nicht gerufen, um mich anzubeten!«
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    Tobias konnte spüren, wie die Furcht abermals nach den Herzen der Menschen griff. Die meisten Köpfe senkten sich, und auf den Gesichtern derer, die es noch wagten, den apo-kalyptischen Reiter anzusehen, machte sich fassungsloses Entsetzen breit; die gleiche Art von tödlicher, durch nichts zu besänftigender Furcht, die Tobias in Derwalts Augen gelesen hatte; als er versuchte, mit ihm zu sprechen.
    »Ihr habt meinen Befehlen nicht gehorcht!« fuhr der Knochenreiter fort, und abermals duckte sich die ganze Menschenmenge wie unter einem Schlag. »Ihr habt mich gerufen! Ihr wart es, die meine Hilfe wollten! Ihr habt alles genommen, was ich euch gegeben habe, aber jetzt verweigert ihr mir das, was mir dafür zusteht - euren Gehorsam!«
    Wieder trat Totenstille ein. Tobias wartete atemlos darauf, daß der Knochenreiter weitersprach, doch statt dessen erhob sich plötzlich aus der Reihe der Knienden eine einzelne, grauhaarige Gestalt und trat mit gesenktem Haupt und kleinen, angstvollen Schritten auf den Unheimlichen zu.
    Tobias war nicht einmal überrascht, als er erkannte, daß es niemand anders als der Bauer Temser war.
    Er ging langsam; den Blick angstvoll zu Boden gesenkt und die Schultern leicht nach vorn gebeugt, wie in Erwartung eines Schlages. Und er wagte es nicht, den Blick zu heben, auch nicht, als er unmittelbar vor dem Knochenreiter angelangt war und stehenblieb. Tobias konnte ihn nicht verstehen, als er sprach, doch was immer es war, das er sagte, seine Worte schienen den Knochenreiter zu erzürnen, denn er unterbrach ihn schon nach wenigen Augenblicken mit einer wütenden Geste.
    »Du wagst es, mir zu widersprechen?« schrie er und ballte drohend eine bleiche, grünlich schimmernde Knochenfaust. »Ihr versagt! Ihr alle habt versagt! Ihr brecht euren Teil des Paktes, und ihr wagt es dann noch, mir zu widersprechen!«
    Temser duckte sich wie ein geprügelter Hund, wagte es aber immer noch nicht, den Unheimlichen anzusehen, aber seine Stimme überschlug sich vor Erregung, so daß Tobias die Worte verstehen konnte:
    »Ich flehe Euch an, Herr ... Ihr ... Ihr müßt das verstehen! Der Priester ist -«
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    »Schweig!« donnerte der Knochenreiter. Sein Pferd
    erschrak beim plötzlichen, lauten Klang seiner Stimme und begann zu tänzeln, so daß er einen Moment damit zu tun hatte, es wieder in seine Gewalt zu bringen. Dann beugte er sich vor, deutete mit der ausgestreckten Linken auf den zitternd dastehenden Bauern und fuhr in noch lauterem, zorni-gem Tonfall fort: »Die Hexe muß sterben, und ihr wißt

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