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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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sich mit einem kleinen Geist wie ihm auseinandersetzte. Der
    Gedanke allein steigerte seinen Groll noch mehr. Im Grunde hätte Bresser nichts mehr verdient, als daß er das böse Spiel bis zum bitteren Ende trieb und ihn das Schloß aufbrechen ließ, während seine Frau sich zehn Schritte weiter im Haus zu schaffen machte.
    Aber Grausamkeit hatte nie zu Tobias' Charaktereigenschaften gehört. Außerdem war Bresser die Gebete, die er zur Buße für ein solches Verhalten sprechen mußte, gar nicht wert.
    »Wartet«, sagte er.
    53
    Bresser blieb stehen und sah sich nervös um. »Ja?«
    Tobias hob die Hand und tat so, als lausche er angestrengt
    - obwohl die Geräusche hinter der Tür jetzt verstummt waren.
    »Sagtet Ihr nicht, daß Ihr und Eure Frau allein lebt?«
    Bresser nickte.
    »Ich dachte, ich hätte etwas gehört«, fuhr Tobias fort.
    »Aber vielleicht habe ich mich getäuscht. Eure Frau kann ja wohl kaum schon zurück sein.«
    »Nein«, antwortete Bresser. »Aber ich glaubte gerade auch, etwas . . . Wartet einen Moment, bitte.«
    Er machte eine fahrige Handbewegung und drängte sich ein zweites Mal an Tobias vorbei. Beinahe rennend trat er durch die Tür und drückte sie hinter sich sorgfältig wieder ins Schloß. Tobias hörte ihn auf der anderen Seite einige Augenblicke lang erregt sprechen, dann kam er zurück, über das ganze Gesicht strahlend.
    »Was für ein Glück!« sagte er. »Dieses dumme Weib ist gar nicht gegangen, stellt Euch vor! Ich hatte ihr eingeschärft, sofort zum Grafen zu eilen, aber Ihr wißt ja, wie die Weibsbilder sind - sie wollte zuerst noch die Küche herrichten und ein sauberes Laken für Euer Bett heraussuchen. Aber ich werde sie nicht für ihren Ungehorsam bestrafen. Immerhin . . .«
    Tobias blickte ihn eisig an, und Bresser brach mitten im Wort ab. »Habt Ihr den Schlüssel?«
    »Nein«, antwortete Bresser. »Aber meine Frau bringt ihn.
    Sie kommt sofort.«
    Sobald sie den Schlüssel gefunden hat, dachte Tobias. Den du wahrscheinlich selbst irgendwo hingelegt hast. Aber er ersparte sich eine Antwort, schon aus Angst, noch mehr Unsinn aus Bressers Mund hören zu müssen, und verließ ohne ein weiteres Wort das Haus.
    Obwohl ihm der Gestank erneut zugleich ekelhaft und sonderbar vorkam, atmete er doch erleichtert auf, als er auf die Straße trat, denn hier konnte er sich wenigstens wieder aufrichten. Er blinzelte. Nach dem Halbdunkel im Haus brannte die Mittagssonne förmlich in den Augen, und er spürte plötzlich, wie heiß es geworden war. Zwischen den 54
    ärmlichen Gebäuden der Stadt schien die Luft zu vibrieren, und er begann unter seiner groben Kutte fast sofort zu schwitzen. Bresser wieselte mit kleinen Schritten an seine Seite und sagte irgend etwas, aber Tobias verstand dessen Worte nicht. Für einen Moment schwindelte ihn. Alles . . .
    drehte sich um ihn herum, und zum zweiten Mal - und ungleich heftiger als vorhin in der Dachkammer - überkam ihn dieses sonderbare Gefühl des Unwirklichen. Er kam sich vor wie in einem Traum, einem jener ganz besonders üblen Nachtmahre, in denen die Wirklichkeit nur ein ganz kleines Stückchen verrückt geworden war; gerade so weit, daß das Grauen aus den Schatten hervorlugte, ohne daß man es wirklich erkennen konnte. Die Gestalten der Kinder, die immer noch vor dem Haus lärmten, erschienen ihm eine Spur zu dunkel, schwarze Schatten, die nur so taten, als wären sie Körper, die Häuser ein bißchen geduckt, als wären sie in Wahrheit getarnte, kauernde Raubtiere, der Staub, den die Kinder aufwirbelten, bildete groteske Formen, die nur scheinbar zufällig waren, und . . .
    Heiliger Dominikus - was geschah mit ihm? Tobias
    stöhnte. Er machte einen taumelnden Schritt, hob zitternd die Hand an den Kopf und schluckte bitteren Speichel herunter, der sich unter seiner Zunge sammelte.
    »Was habt Ihr?«
    Bressers Stimme drang wie von weit, weit her an sein Ohr.
    Das Bild der Straße verbog sich vor seinen Augen, wurde zu einem grotesken Zerrbild, als betrachte er es in einem unsauber geschliffenen Silberspiegel. Galle füllte seinen Mund; rascher, als er sie herunterschlucken konnte, und der einzige Grund, aus dem er sich nicht übergab, war ein Gefühl der Scham Bresser gegenüber.
    »Was ist mit Euch, Pater?« Bresser berührte ihn an der Schulter; gleichzeitig griff er mit der anderen Hand nach Tobias' Ellbogen, um ihn zu stützen.
    Das Schwindelgefühl verging, und zurück blieb ein hämmerndes Dröhnen zwischen seinen Schläfen. Er

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