Wolfgang Hohlbein -
Kamins hingen Waffen an den Wänden - Schilde, Schwerter, Hellebarden und Teile von Rüstungen. Überall standen Kerzenleuchter, und neben der Tür befanden sich geschmiedete Halterungen, in die man Fackeln stecken konnte. Direkt gegenüber dem Eingang hing ein gewaltiges Ölgemälde. Tobias versuchte, die darauf abgebildete Gestalt zu erkennen, aber es gelang ihm nicht. Das Bild war so zwischen zwei Fenstern aufgehängt, daß ihn das einfallende Licht nur eine Silhouette erahnen ließ; Purpur auf Braun. Daneben, fast am entgegengesetzten Ende des Saales, führte eine Treppe wie ein geschnitztes Schneckenhaus zugleich nach oben und unten.
Bresser steuerte diese Treppe an, ohne auf ihn zu warten, und Tobias mußte nun eilen, um nicht zurückzubleiben. Ihm fiel auf, wie unheimlich ihre Schritte in der Stille des verlas-senen Saales widerhallten. Als er sich im Gehen herumdrehte, bemerkte er die kleinen Staubwölkchen, die er und Bresser aufgewirbelt hatten. Sie tanzten im Gitternetz der Sonnenstrahlen wie Nebel, der aus dem Sumpf steigt.
Zu seiner Überraschung wandte sich Bresser auf der
Treppe nicht nach unten. Er hatte ganz instinktiv angenommen, daß sich das Verlies in den Kellergewölben des Hauses befand. Aber Bresser stieg schnaufend, die linke Hand auf dem wuchtigen Geländer, die Treppe hinauf. Es gab eine Klappe am Ende der Treppe - keine Tür, sondern nur eine massive, mit zusätzlichen eisernen Riemen verstärkte Klappe, in der sich schmale eisenverstärkte Schlitze befanden. Die Funktion dieser Öffnungen begriff Tobias sofort. Es waren Scharten, durch die man hindurchschießen oder eine Speerspitze stecken konnte.
Tobias blieb stehen, während Bresser sich mit einer Kette abmühte, die die Klappe öffnete. Sie war offenbar lange nicht mehr benutzt worden; die Mechanik hatte Rost angesetzt, denn es kostete Bresser all seine Kraft, sie weit genug zu öffnen, so daß sie hindurchgehen konnten.
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Ehe Tobias sich hindurchzwängte, warf er noch einen Blick zurück auf die Halle. Die schwarz-weißen Fliesen auf dem Boden schienen ein Muster zu bilden, das er zwar nicht in seiner Gänze wahrnahm, das ihm aber Unbehagen bereitete. Schaudernd wandte er sich um und beeilte sich, Bresser zu folgen.
Er betrat ein einziges, recht großes Zimmer, das aber durch einige geschickt angeordnete Teppiche und Vorhänge in einen Koch- und einen großzügigen Schlafbereich unter-teilt war. Auch hier lag überall Staub, wie ein grauer Überzug, der unter ihren Schritten aufstob und Tobias zum Husten reizte.
Vor der einzigen Tür, die es außer der Bodenklappe noch gab, blieb Bresser stehen und wandte sich zu ihm um.
»Worauf wartet Ihr?« fragte Tobias.
»Auf meine Frau, Pater«, antwortete Bresser. »Sie wird sogleich mit dem Schlüssel kommen.«
»Dann wollen wir hoffen, daß sie es auch tut«, sagte Tobias ernst. »Nicht, daß sie ihn etwa verlegt hat und ich doch noch den Schmied kommen lassen muß.« Er deutete auf das massive Vorhängeschloß neben Bressers rechter Hand (Großer Gott, es mußte einen halben Zentner wiegen!) und unterstrich seine Worte mit einem grimmigen Blick, der Bressers Nervosität noch steigerte. »Ist das der Eingang zum Verlies?«
Bresser nickte. »Es ist nur ein Raum, den wir hergerichtet haben«, sagte er. »Bisher brauchten wir kein Gefängnis in Buchenfeld. Aber es ist der sicherste Ort in der Stadt.«
Kein Gefängnis? Tobias war überrascht. Buchenfeld war kein ganz kleiner Ort mit seinen tausend Seelen. Es war schwer vorstellbar, daß nicht ein einziges schwarzes Schaf in dieser Herde sein sollte. Doch er schwieg und sah sich um.
Der Staub, den ihre Schritte aufgewirbelt hatten, hing in dichten trägen Schwaden in der Luft, und Tobias spürte die Kälte dieses Gemäuers. Schaudernd hob er die Hand und zog die Kutte enger um den Hals zusammen.
»Was ist das hier eigentlich?« fragte er.
»Dieses Haus?« Bresser zuckte mit den Schultern, als 59
Tobias ihm ein angedeutetes Nicken schenkte, und machte eine bedeutungslose Geste mit der linken Hand. »Es gehört dem Grafen. Früher einmal hat seine Familie hier gelebt, bevor sie das Schloß gebaut haben. Aber das ist lange her.
Es steht schon seit drei Generationen leer. Manchmal wohnen der Graf und sein Gefolge hier, aber nicht oft.«
Seinem Aussehen nach zu urteilen, nur alle fünfzig Jahre, dachte Tobias sarkastisch. Laut sagte er: »Ist es dann nicht eine Schande, es leerstehen zu lassen?«
»Ihr habt recht«, antwortete
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