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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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hielt. Immerhin versuchte er nicht mehr, ihn mit irgendeinem dummen Vorwand zurückzuhalten, sondern begleitete ihn und den Arzt nur bis zur Tür seines Hauses. Aber er blieb darunter stehen, ein gedrungener, drohender Schatten gegen das gelbe Licht, das aus dem Haus drang, als sie die Straße hinuntergingen.
    Tobias sah sich unbehaglich um. Die Nacht war sehr hell und sternenklar; noch ein oder zwei Tage, und es war Vollmond. Auch der Gestank vom Pfuhl her hatte nachgelassen.
    Eigentlich, überlegte er, war es ein Abend, an dem man erwartete, die Leute vor den Häusern sitzen zu sehen, wo sie ein Schwätzchen halten oder einfach die Schönheit des Augenblicks genießen konnten. Aber die Stadt wirkte wie ausgestorben. In keinem einzigen Haus brannte Licht. Kein Laut war zu hören, außer denen, die Tobias und sein Begleiter selbst verursachten. Es war unheimlich.
    Erst als sie sich so weit von Bressers Haus entfernt hatten, daß er sicher war, nicht mehr gehört zu werden, brach Tobias das Schweigen.
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    »Verzeiht, wenn ich darauf bestehe«, sagte er, »aber . . .
    Ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet.«
    Der Arzt sah ihn an, ohne im Schritt innezuhalten. Er war zu Pferde gekommen, hatte das Tier aber am Stadtrand zurückgelassen, außerhalb des Walles, wo es fressen und Kräfte für den Rückweg sammeln konnte. »Welche Frage?«
    »Ob Ihr glaubt, daß Katrin eine Hexe ist.«
    Ein flüchtiges Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes. »Mit Verlaub, Vater«, antwortete er umständlich, »aber Ihr habt sie gar nicht gestellt, bisher.«
    »Habe ich nicht?« vergewisserte sich Tobias, perfekt Überraschung heuchelnd.
    »Nein. Aber ich will sie Euch trotzdem beantworten: Ich weiß es nicht. Ich bin nicht in der Position, mir ein Urteil in diesen Dingen erlauben zu können.«
    »Die Leute hier -«
    »Die Leute sind Narren, die alles nachplappern, was der Graf oder Bresser ihnen sagen«, fiel ihm der Arzt unerwartet grob ins Wort. »Andererseits - heißt es nicht, daß Kinder und Narren stets die Wahrheit sagen?«
    Tobias war enttäuscht. Er hatte sich mehr Hilfe von diesem Mann erhofft. Aber vielleicht bestand gerade darin sein Fehler; er mußte aufhören, ständig auf Hilfe anderer zu warten, sondern selbst anfangen, etwas zu tun.
    »Es tut mir leid, wenn ich Euch nicht mehr helfen
    konnte«, sagte der Arzt, als sie den Stadtwall erreicht hatten und er sich mit einem Handschlag von Tobias verabschiedete.
    »Oh, das braucht es nicht. Ihr habt mir mehr geholfen, als ich erwarten konnte.« Er lächelte dankbar. »Vielleicht gibt es da doch noch etwas . . .«
    »Ja?«
    »Ihr kennt Euch doch hier aus? Ich meine, Ihr kennt die Leute hier.«
    »Die meisten, ja.«
    »Wißt Ihr, wo ich einen Mann namens Derwalt finde? Ich könnte Bresser fragen, aber dann müßte ich den Weg vielleicht zweimal machen . . .«
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    »Das ist leicht«, antwortete der Arzt. »Seht Ihr das Haus dort? Das kleine, mit den zwei Kaminen?«
    Tobias sah angestrengt in die Richtung, in die der ausgestreckte Arm des Arztes deutete. Er sah nur Schatten gegen den Nachthimmel; aber der Umriß des zweifachen Schorn-steins war nicht zu verkennen. Er nickte.
    »Das Haus rechts daneben«, sagte der Arzt.
    Tobias ließ seine Hand los. »Ich danke Euch. Es kann sein, daß wir uns doch noch einmal wiedersehen.«
    »Gern. Besucht mich auf dem Rückweg, wenn Ihr Eure
    Aufgabe hier erledigt habt.«
    Tobias versprach es und blieb stehen, bis der Mann sein Pferd losgebunden und sich auf seinen Rücken geschwungen hatte, um in der Dunkelheit zu verschwinden. Dann wandte er sich um und ging auf das Haus mit den zwei Kaminen zu.
    Sein Blick irrte unstet über die Straße. Es war sehr dunkel, sehr still, und plötzlich mußte er wieder an den Schatten denken, den er zu sehen geglaubt hatte. Er konnte selbst nicht sagen, was daran so unheimlich gewesen war -
    irgendwie war der Schatten ihm entmenschlicht vorgekommen, nicht die Silhouette eines Menschen oder auch eines Tieres, sondern eine gigantische Gestalt mit einem riesigen Tierschädel.
    Tobias lächelte über seine eigenen Gedanken, als ihm klar wurde, daß seine Phantasie ihm wieder einmal einen bösen Streich spielte. Er hatte all dies ganz bestimmt nicht gesehen; im Grunde hatte er gar nichts gesehen, außer einer huschen-den Bewegung, für die es Hunderte von Erklärungen gab.
    Er erreichte das Haus, blieb vor der Tür stehen und klopfte. Nichts.
    Tobias wartete. Er zählte in Gedanken bis fünf, klopfte

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