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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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noch einmal und wartete wieder. Wieder nichts.
    Als er die Hand zum dritten Mal hob, erklangen drinnen schlurfende Geräusche, und eine verschlafene Stimme fragte: »Wer ist da?«
    »Derwalt?« fragte Tobias. »Mein Name ist Pater Tobias.
    Ich wohne zur Zeit in Bressers Haus; vielleicht habt Ihr mich schon gesehen. Ich muß Euch sprechen.«
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    Für Augenblicke herrschte überraschte Stille. Dann: »Wartet einen Moment.«
    Das Poltern und Hantieren drinnen nahm zu, und kurz darauf drang gelber Kerzenschein durch die Fugen der Tür.
    Ein Riegel wurde zurückgeschoben.
    Derwalt war ein kleiner Mann, der Tobias kaum bis zur Schulter reichte. Sein Haar war schütter und vor der Zeit grau geworden, und unter seinem linken Auge prangte eine rote, entzündete Narbe. Auch seine Hände waren vernarbt; zwei Glieder seines linken kleinen Fingers fehlten. Er trug eine flackernde Kerze in der Hand, die er mit der anderen abschirmte, als er beiseite trat, um Tobias einzulassen.
    Tobias sah sich rasch und mit unverhohlener Neugier im Haus um. Es war ein überraschend geräumiges Gebäude, dessen Inneres nur aus einem einzigen Raum bestand, wie es bei einfachen Häusern üblich war. Ein großer Kamin aus Lehmziegeln und Ton beherrschte das hintere Drittel des Zimmers; davor befanden sich zwei einfache Schlafstätten aus strohgefüllten Säcken und groben Decken. Direkt neben dem Eingang standen ein großer Tisch mit vier Stühlen, einige Truhen und ein einfacher Schrank.
    »Nehmt Platz, ehrwürdiger Herr.« Derwalt schloß hastig die Tür (wobei Tobias auffiel, daß er einen beinahe ängstlichen Blick auf die Straße hinauswarf, fast, als müsse er sich überzeugen, daß auch niemand etwas von dem nächtlichen Besucher bemerkt hatte), stellte die Kerze auf den Tisch und machte eine entsprechende Handbewegung, als Tobias nicht sofort reagierte. Der Mönch bemerkte erst jetzt, daß Derwalt nicht allein lebte. Unter den Decken des zweiten Bettes lugte ein Haarschopf hervor; und ein Paar dunkler Augen, das ihn neugierig musterte. Tobias tat so, als bemerke er es nicht, setzte sich und wartete, bis Derwalt auf einem zweiten Stuhl ihm gegenüber Platz genommen hatte.
    »Was kann ich für Euch tun, Herr?« fragte Derwalt.
    Ja, was eigentlich? Tobias gestand sich überrascht und ein wenig verärgert ein, daß sein Besuch nicht nur für Derwalt eine Überraschung darstellte. Er selbst hatte gar nicht dar-
    über nachgedacht, was er ihn fragen wollte.
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    »Ich muß mich für die späte Störung entschuldigen«, begann er. »Aber da ich Euch nun schon aufgeschreckt habe
    - wärt Ihr also so freundlich, mir ein paar Fragen zu beantworten?«
    »Es geht um die Hexe«, vermutete Derwalt. Die Gestalt unter der Decke bewegte sich plötzlich, und auch Derwalt selbst wirkte ängstlich.
    »Um die Anschuldigungen, die gegen Verkolts Witwe
    erhoben worden sind«, antwortete Tobias.
    »Und warum kommt Ihr damit zu mir?« fragte Derwalt.
    »Ich werde jeden hier befragen«, sagte Tobias. »Ihr seid einfach der erste. Irgendwo muß ich beginnen.«
    »Ja«, seufzte Derwalt. »Aber ich weiß nicht, ob ich . . .
    Euch helfen kann. Ich habe sie kaum gekannt.«
    Er warf einen nervösen Blick auf das zweite Bett und begann nervös an der Unterlippe zu nagen.
    »Eure Frau kann ruhig aufstehen«, sagte Tobias. »Was wir zu besprechen haben, ist kein Geheimnis. Vielleicht habe ich auch an sie ein paar Fragen.«
    Derwalt fuhr sichtlich zusammen. Sein Lächeln wirkte gezwungen. »Sie ist nicht . . . nicht meine Frau«, gestand er.
    »Aber es ist nicht, wie Ihr denkt. Es ist nur so, daß . . .«
    ». . . mich das im Moment überhaupt nicht interessiert«, unterbrach ihn Tobias. »Seid Ihr verheiratet?«
    Derwalt schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Und du, Weib?« wandte er sich mit erhobener Stimme an die Gestalt unter der Decke. Im ersten Moment erhielt er keine Antwort, dann bewegte sich das graubraune Bündel, und ein schmales, überraschend hübsches Frauengesicht erschien. Ihr Alter war in dem trüben Licht schwer zu schätzen, aber sie war auf jeden Fall deutlich jünger als Derwalt.
    »Nicht mehr«, antwortete sie stockend. »Mein Mann starb vor vier Jahren.«
    »Also, warum habt ihr Angst?« fragte Tobias den fas-sungslosen Derwalt. »Ich bin hier, um über eine Hexe zu urteilen - und zu keinem anderen Grund. Was könnt ihr mir über Verkolts Frau erzählen?«
    Derwalt war noch immer verwirrt. Was immer er erwartet 129
    hatte - das jedenfalls nicht. Für

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