Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
Vom Netzwerk:
daran«, fügte die Frau auf dem Bett hinzu.
    Tobias sah Derwalt überrascht an.
    Derwalt nickte. »Danach wurden wir beide krank«, sagte er. »Das Wasser war wohl damals schon vergiftet. Ich lag wochenlang im Fieber da. Sie pflegte mich und flößte mir Medizin ein, die ganze Zeit über. Erst viel später habe ich erfahren, daß sie genauso krank war wie ich selbst. Aber sie hat sich trotzdem um mich gekümmert, obwohl sie selbst zwei Tage lang auf Leben und Tod dalag. Sie war eine gute Frau.«
    »Wieso sprecht Ihr in der Vergangenheit?« fragte Tobias.
    »Nun, weil . . . weil eben alles anders geworden ist«, sagte Derwalt.
    »Was ist anders geworden?«
    »Alles eben«, antwortete Derwalt. »Bitte, Pater, ich . . .
    möchte nicht mehr darüber reden. Sie sagen, sie ist eine Hexe.
    Und wenn alle es sagen, dann wird es schon stimmen.«
    »Das habe ich jetzt schon ein paarmal gehört, seit ich hierher gekommen bin«, sagte Tobias verärgert. »Aber niemand hat mir bisher gesagt, was sie wirklich getan hat.«
    »Ihr habt den See gesehen, oder? Sie hat ihn verhext. Und Klevers Kind.«
    »Was für ein Kind?«
    »Sie hatte Streit mit seiner Frau«, antwortete Derwalt.
    Seine Stimme klang jetzt fast verstockt. »Sie haben sich auf offener Straße angeschrien, und sie hat sie verflucht. Und als ihr Kind fünf Wochen später zur Welt kam, da hatte es keine Arme, und die Hände wuchsen ihm direkt aus den Schultern.«
    132
    Tobias schauderte. »Habt Ihr . . . das gesehen?« fragte er.
    »Alle haben es gesehen«, sagte Derwalt. »Das ganze Dorf.
    Es gab eine Untersuchung. Der Graf selbst kam, um sich das Kind anzusehen, und . . .«
    Etwas polterte gegen die Tür. Derwalt fuhr so erschrocken zusammen, daß er um ein Haar die Kerze umgestoßen hätte.
    Für einen Moment verzerrte sich sein Gesicht zu einer Grimasse, die von Panik beherrscht wurde.
    »Was war das?« fragte Tobias.
    »Nichts«, antwortete Derwalt. »Sicher nur ein streunender Hund.« Aber seine Stimme und die Angst in seinen Augen verrieten ihn. Es kostete ihn Mühe, überhaupt noch zu sprechen.
    »Bitte . . . geht jetzt, Herr«, sagte er nervös. »Es ist spät, und . . . und ich habe Euch alles gesagt, was ich weiß.«
    Das hatte er ganz und gar nicht. Aber Tobias begriff, daß er jetzt nichts mehr von ihm erfahren würde. Er stand auf, wandte sich zur Tür und blieb noch einmal stehen. »Ich werde sicher noch einmal mit Euch reden«, sagte er. »Ich lasse Euch dann rufen, sobald ich offiziell damit beginne, die Zeugen zu verhören.«
    »Tut das«, sagte Derwalt. »Aber ich werde Euch nichts anderes sagen können als das, was ich Euch jetzt gesagt habe, hört Ihr. Nichts!«
    Tobias blickte ihn verwirrt an. Derwalt schrie fast, und seine Stimme war schrill. Er zitterte.
    Aber als er sich endgültig zur Tür wenden wollte, hielt Derwalt ihn noch einmal zurück. »Wollt Ihr einen guten Rat von mir annehmen, Pater?« fragte er.
    Tobias blieb noch einmal stehen. »Gern.«
    »Ihr solltet nicht . . . nicht nach Einbruch der Dunkelheit auf die Straße gehen. Es ist gefährlich. Der Wald ist nicht weit, und manchmal verirren sich Wölfe hierher. Im letzten Jahr hatten wir sogar einen Bären in der Stadt. Er hat zwei Männer verletzt und ein Pferd gerissen, ehe es uns gelang, ihn zu töten. Geht nicht aus dem Haus, nachdem die Sonne untergegangen ist.«
    Tobias blickte ihn durchdringend an. Aber er nickte nur.
    133
    »Ich werde Euren Rat beherzigen«, versprach er und streckte die Hand nach der Tür aus.
    Derwalt löschte die Kerze einen Augenblick, bevor Tobias die Tür öffnete und ihr Licht nach draußen fallen konnte, und Tobias verließ das Haus.
    Es war kühl geworden. Der Wind hatte aufgefrischt, und das Licht des beinahe vollen Mondes löschte alle Farben aus.
    Ein leises Rascheln drang an Tobias' Ohr, ohne daß er seine Ursache ergründen konnte, und Derwalts letzte Worte schienen noch einmal hinter seiner Stirn zu klingen: Geht nicht nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Haus . . .
    Er lächelte - aus dem einzigen Grund, sich selbst Mut zu machen -, zog fröstelnd die Schultern zusammen und
    wandte sich zurück in die Richtung, in der Bressers Haus lag. Seine Schritte, so leise sie waren, erzeugten unheimliche hallende Echos auf dem gepflasterten Teil der Straße. Der Wind bauschte seine Kutte, und die Schatten schienen sich dichter zusammenzuziehen, als wollten sie eine Mauer bilden, die Wand eines Tunnels aus Schwärze, durch den er schritt und der keinen

Weitere Kostenlose Bücher