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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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Anfang und kein Ende hatte.
    Er war nicht allein.
    Die Erkenntnis schlich ganz plötzlich und so sicher in seine Gedanken, daß es keines Beweises bedurfte.
    Jemand war hier. Ganz in seiner Nähe. Tobias konnte spü-
    ren, daß ihn jemand beobachtete.
    Er blieb stehen, schlug mit der linken Hand das Kreuzzeichen und schmiegte die andere um das kleine Kruzifix, das wieder an seinem Hals hing. Aber das Holz war kalt. Seine Berührung spendete nicht den gewohnten Trost, sondern ließ ihn nur erneut frösteln.
    Mit klopfendem Herzen schaute er sich um. Im ersten Moment sah er nichts außer dieser Finsternis, die sonderba-rerweise nur hier in der Stadt zu herrschen schien - er konnte den Wald und die Felder davor in allen Einzelheiten erkennen, denn der Himmel war sternenklar, und der Mond schien wie eine große, bleiche Laterne. Aber aus einem unheimlichen Grund heraus drang sein Licht nicht zwischen die Häuser. Buchenfeld lag in vollkommener Schwärze da.
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    Wäre nicht der Schatten des Turmes gewesen, der die übrigen Gebäude wie ein Gigant aus steingewordener Finsternis überragte, hätte er vielleicht nicht einmal zu Bressers Haus zurückgefunden. Buchenfeld schien zu einer einzigen, dunklen Masse zusammengeschmolzen zu sein.
    Und in dieser Masse bewegte sich etwas.
    Tobias' Herz machte einen erschrockenen Satz, als er den Schatten sah, der wenige Meter hinter ihm stand; verschwommen und halb aufgesogen von der Dunkelheit hinter ihm, aber trotzdem deutlich zu erkennen; ein menschlicher Umriß, der dastand und ihn ansah.
    Er schluckte nervös, fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, um sie zu befeuchten, und straffte die Schultern.
    »Wer bist du?« fragte er. »Was willst du von mir?«
    Seine Stimme zitterte und verriet mehr von seiner Angst, als ihm recht war. Der Schatten bewegte sich nicht. Dafür erschien ein zweiter gleich hinter ihm.
    »Wer seid ihr?« fragte Tobias noch einmal. »Redet!«
    Entschlossen trat er einen Schritt auf die beiden stummen Gestalten zu - und blieb abrupt wieder stehen.
    Auch diesmal spürte er die Bewegung mehr, als er sie sah: rechts und links der Straße waren zwei weitere Gestalten aufgetaucht, groß und dunkel wie die beiden ersten. Sie sagten nichts. Sie regten sich nicht. Sie machten nicht einmal eine bedrohliche Bewegung, sondern standen einfach nur da und blickten Tobias an.
    Dann bewegte sich eine dieser Gestalten doch, und Kopf und Schultern gerieten für einen winzigen Moment aus dem Schatten des Hauses, vor dem sie stand.
    Daß Tobias nicht aufschrie, lag nur daran, daß ihm die Kehle wie zugeschnürt war.
    Der Mann trug einen schwarzen Umhang, der seine
    Gestalt vollkommen verbarg und in einer gewaltigen spitzen Kapuze endete. Und darunter war kein Gesicht, sondern bleicher, schimmernder Knochen. Und als hätte es erst des Anblickes dieses einen Gesichtes bedurft, um ihn auch die anderen erkennen zu lassen, begriff Tobias plötzlich, daß sich das gräßliche Bild unter den anderen Kapuzen wieder-135
    holte, keine Gesichter, sondern grinsende Knochengrimas-sen. Metall blitzte flüchtig: die Schneide der Sense, auf deren Stiel sich eine der Gestalten stützte.
    Die Lähmung hielt einen kurzen, schrecklichen Moment an. Dann schrie Pater Tobias gellend auf, warf die Arme in die Luft und rannte die Straße hinunter, so schnell er konnte.
    Halb verrückt vor Angst erreichte er Bressers Haus, stürzte hinein und rannte die Treppe hinauf. Flüchtig sah er Bressers Gesicht unter der Stubentür auftauchen und hörte, wie er ihm etwas nachrief, aber er verhielt nicht einmal im Schritt, sondern stürmte in die Kammer unter dem Dach.
    Erst als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, begann sich sein rasender Puls wieder langsam zu beruhigen.
    Aber es dauerte noch sehr, sehr lange, bis er den Mut auf-brachte, sich von seinem Platz an der Tür zu lösen und sich auf den unbequemen Hocker neben Katrins Bett zu setzen.
    »Luzifer«, flüsterte er, »Gottes gefallener Engel und seine Höllenmächte spielen ein grausames Spiel mit mir.«

6
    Es war die zweite Nacht, in der er nur sehr wenig Schlaf fand. Zwar nickte er immer wieder ein, wachte aber schon bald mit heftig klopfendem Herzen wieder auf und starrte die Tür an, und seine überreizten Nerven gaukelten ihm Geräusche und Bewegungen vor, die es nur in seiner Phantasie gab: Im Hämmern seines eigenen Herzen glaubte er schwere, unmenschliche Schritte zu hören, die langsam die Treppe hinaufkamen, begleitet von

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