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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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wie die Bilder, die abgehängt worden waren. Aber die Umrisse stimmten nicht. Sie hatten die richtige Größe und auch die richtige Form - es war ganz eindeutig dieses Kreuz, das schon seit Jahren hier gehangen hatte, aber der helle Schatten war verrutscht.
    Neugierig trat Tobias näher und sah, daß man das Kreuz abgenommen haben mußte. Jemand hatte versucht, den
    Nagel wieder in dasselbe Loch zu schlagen, in dem er all die Zeit über gesteckt hatte, aber er hatte recht schlampige Arbeit geleistet. Warum hatte man dieses Kreuz abgenommen? Und warum hatte man es wieder hingehängt und sich bemüht, den Eindruck zu erwecken, als wäre es nie fort gewesen?
    Tobias fand auf diese Frage so wenig eine Antwort wie auf alle anderen, die er sich seit seiner Ankunft in Buchenfeld gestellt hatte, aber er beschloß, ihr auf jeden Fall nachzugehen. Die Antwort darauf war wichtig.
    Nach einem kurzen Gebet verließ er das Zimmer. Die
    Haustür stand offen, als er in die Diele trat, und im ersten Moment blinzelte er in die ungewohnte Helligkeit. Unwillkürlich wollte er sich zur Treppe wenden, um hinaufzugehen und nach Katrin zu schauen, aber in diesem Moment
    erschien Maria unter der Tür zur Stube und sagte:
    »Sie schläft noch. Ich war gerade bei ihr. Guten Morgen, Pater Tobias.«
    »Guten Morgen«, antwortete Tobias lächelnd. »Oder besser - guten Tag. Ihr seid ein böses Mädchen, Maria. Ihr hattet versprochen, mich zu wecken, wenn die Sonne auf-geht.«
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    »Habe ich das?« fragte Maria scheinheilig. »Das muß ich vergessen haben. Könnt Ihr mir noch einmal verzeihen?«
    »Ich werde zu Gott beten, daß er Euch diese gräßliche Sünde vergibt«, antwortete Tobias. »Macht Euch keine Sorgen. Ihr werdet sicher mit hundert Jahren Fegefeuer davon-kommen.«
    »Tut das, Tobias«, sagte Maria. »Und während Ihr es tut, kommt herein. Ich habe eine Mahlzeit für Euch bereitet.«
    Tobias folgte ihr - und stockte unwillkürlich im Schritt, als er sah, daß die Stube nicht leer war. Bresser saß am Tisch und kaute an einem Stück Fleisch, daß ihm der Bratensaft am Kinn heruntertropfte. Mit der linken Hand wischte er ihn weg. Mit der anderen, die den Braten hielt, winkte er Tobias aufgeräumt zu sich heran und machte gleichzeitig eine wedelnde Geste auf einen freien Stuhl.
    »Setzt Euch, Herr, setzt Euch«, sagte er mit vollem Mund.
    »Eßt einen Bissen mit mir. Wir haben einen anstrengenden Tag vor uns.«
    Tobias warf einen überraschten Blick zum Fenster, dann sah er Maria an. »Ist es -«
    »Es ist noch nicht Mittag«, fiel ihm Bresser ins Wort.
    »Keine Sorge. Ich bin früher zurückgekommen. Aber ich wollte Euch nicht stören. Ihr habt Euren Schlaf wirklich verdient.«
    »Ihr wart auf dem Schloß?« begann Tobias, nachdem er einige Bissen der Mahlzeit zu sich genommen hatte, die Maria ihm gebracht hatte.
    Bresser nickte und ließ sich ein weiteres Stück Fleisch schmecken. Er wohnte zwar wie ein armer, fraß aber wie ein reicher Mann.
    »Was gab es denn so Wichtiges, daß Ihr mitten in der Nacht dorthin gegangen seid?« fuhr Tobias fort.
    »Der Graf hatte mir befohlen, ihm zu berichten, was der Arzt sagt«, antwortete Bresser mit vollem Mund. »Ich hätte es Euch gestern abend schon gesagt, aber Ihr seid so schnell an mir vorbeigelaufen, daß ich keine Gelegenheit dazu hatte. Was geschah dort draußen?«
    Tobias ließ sein Brot sinken und sah Bresser durchdrin-142
    gend an. »Wie kommt Ihr auf die Idee, daß dort irgend etwas geschah?« fragte er lauernd.
    Bresser grinste. »Ihr hättet Euch sehen sollen, Herr«, antwortete er. »Ihr wart bleich, als hättet Ihr ein Gespenst gesehen.«
    Das hatte er ja auch. Genauer gesagt - gleich vier
    Gespenster. Vorsichtig sagte er: »Ich . . . war ein wenig erschrocken, das stimmt.«
    Er wartete darauf, daß Bresser ihn nach dem Grund dieses Erschreckens fragte, aber er tat es nicht. Statt dessen sah er ihn nur einen Moment lang ernst an und seufzte dann tief.
    »Das überrascht mich nicht.«
    »Wieso?«
    Bresser zuckte mit den Schultern und rieb sich die fettigen Finger an der Weste sauber. »Ich wollte es Euch gestern nicht sagen«, antwortete er. »Ich war sicher, daß Ihr es falsch versteht. Aber es ... es ist besser, in Buchenfeld nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße zu gehen.«
    Das waren fast dieselben Worte, die Derwalt benutzt hatte. Tobias sah Bresser verunsichert an und schwieg.
    »Ist Euch nicht aufgefallen, wie still es hier des Nachts ist?« fragte

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