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Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Titel: Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Adresse. Er klappte den Pass zu und gab ihn ihr zurück. Doch die Frau wagte nicht aufzublicken, um den Pass entgegenzunehmen. Kilian berührte sie an der Schulter, um sie aufzurichten, doch sie schrak zurück und stammelte »legal- deutsch-legal«, wie eine Beschwörungsformel gegen böse Geister.
    »Entschuldigen Sie, ich bin nicht hier, um Sie zu überprüfen, ich möchte nur wissen, ob Sie etwas am gegenüberliegenden Gebäude beobachtet haben«, sagte er mit besänftigender Stimme.
    Aber mit der Frau war nicht zu reden. Im Einklang zu »legal- deutsch-legal« verbeugte sie sich unaufhörlich mit gesenktem Haupt. Kilian sah ein, dass es für ihn hier nichts zu gewinnen gab, und legte ihr vorsichtig den Pass zu Füßen. Als er sich wieder erhob, ergriff die Frau seine Hand und küsste sie. Dann nahm sie den Pass auf und lief in das Wohnzimmer zurück.
    Kilian schloss die Tür hinter sich. Er stellte sich die Frage, mit welchen seiner Kollegen die Frau wohl schon früher Bekanntschaft gemacht hatte. Bevor er ging, wartete er kurz und legte das Ohr an die Tür. Leise hörte er sie weinen.
    *
    Der Sperrgürtel vor dem Congress Centrum war eng gehalten. Für die Anfahrt der Pkw öffnete sich der aus Gitterabriegelungen und bewaffneten Polizeibeamten in Schutzkleidung bestehende Wall nur kurz. Darauf schloss er sich wieder – ein eindeutiges Zeichen, dass ab hier Bürgerrechte keine Geltung mehr besaßen. Auf den umliegenden Dächern hielten sich Scharfschützen bereit und beobachteten die Anfahrt der Gäste. Aus den Staatskarossen stiegen Diplomaten der EU- Mitgliedsstaaten und Vertreter anderer Regierungen aus, die in die Sicherheitspolitik der EU-Staaten eingebunden waren. Sie wurden unter Aufsicht der Münchener LKA-Truppe in das Innere des Gebäudes geführt. Ein Teil der weit angereisten Journalisten nahm sie dort unter Blitzlichtbeschuss, während sich der Rest um eine Gruppe scharte, die außerhalb des Gürtels, mit Spruchbändern und Megaphon bewaffnet, ihre Botschaft verkündete. Sie nannte sich »Kundschafter des Friedens« und zählte elf Personen, unter ihnen eine Frau. Sie alle sahen nicht aus wie typische Demonstranten, sondern waren gut gekleidet und nicht mehr die Jüngsten. Auf einem der Transparente stand zu lesen: »Wir fordern Recht.«
    Die Frau nahm das Megaphon zur Hand: »Wir fragen, ist es rechtens, dass der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat einen Strafanspruch nach DDR-Gesetzen bejaht, sofern es um Eigentumsdelikte in Form einer ›Veruntreuung sozialistischen Eigentums‹ geht? Aber gleichzeitig ein solcher Strafanspruch nach DDR-Gesetzen negiert wird, wenn die eigene nachrichtendienstliche Tätigkeit dem sozialistischen Staat zum Nachteil gereichte. Wir fragen, ist es rechtens, dass die BRD- Agenten in der DDR nach der Vereinigung unbehelligt blieben und dass rechtmäßig in der DDR verurteilte BRD-Agenten rehabilitiert, aber DDR-Agenten in der BRD verurteilt, inhaftiert und ihrer Rechte und Ansprüche beraubt wurden?
    Wir wurden zu Objekten einer einäugigen Justitia degradiert. Wir waren die Tauschobjekte für Wendehälse, die sich auf unsere Kosten und auf Kosten unserer Familien den neuen Herren andienten. Wir waren das Objekt reißerischer Schlagzeilen der Presse. Und wir waren Objekte einer schonungslosen Strafverfolgung. Subjekt sind wir seit der Wende nur noch in Form des kriminellen Subjekts. Damit muss Schluss sein. Wir fordern Wiedergutmachung.«
    Sie gab das Megaphon weiter an einen Mann: »Wir fordern Einstellung der Strafverfolgung aller ehemaligen hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter der Auslands-Aufklärungsorgane, des Ministeriums für Staatssicherheit und des Militärischen Nachrichtendienstes im Bereich Aufklärung der Nationalen Volksarmee. Zweitens: Die Freilassung aller in deutschen Gefängnissen inhaftierten ehemaligen Kundschafter der DDR- Auslandsnachrichtendienste. Drittens: Aufhebung der ergangenen Urteile und ihrer Rechtsfolgen und Entschädigung für die Verfahrenskosten, Anwaltskosten, Einzug von Privatvermögen, Verdienstausfall, Verlust von Rentenansprüchen und für erlittene Haftzeiten und Haftschäden. Wir wollen juristische Wiedergutmachung.
    Die gegen uns ergangenen Urteile sind rechtlich unhaltbar. Sie verletzen allgemeine Rechtsgrundsätze und Normen des internationalen Rechts. Sie verstoßen außerdem gegen den international anerkannten und durch die Verfassung garantierten Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Wir sind und waren

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