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Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Titel: Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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umstehenden Abfallkorb etwas herausnehmen, ließ ihn herumfahren und gleich darauf bewusstlos werden.
    Otter traf ihn mit einer leeren Sektflasche am Kopf. Er stürzte vornüber ins Wasser. Regungslos blieb er im schmalen Grat zwischen Schiff und Hafenmauer liegen. Eine Welle von einem vorbeifahrenden Polizeiboot näherte sich und versetzte das Schiff in schwankende Bewegung. Der Schiffsbug kam näher und drückte Kilian gegen die Hafenmauer.

7
    »Bedenke, dass du aus Staub bist und zu Staub zurückkehren wirst«, hieß es auf dem Plakat, das zum Kirchgang und zum anschließenden Gedenken an die Gräber einlud.
    Ein anderes verwies auf den Diavortrag eines Professors, der den keltischen Brauch der Vermummung wissenschaftlich thematisierte. Das Abbild einer schreckeneinflößenden Maske dokumentierte die Wende des Oktobers in den November, von der die Kelten glaubten, dass in dieser Nacht die Geister der Toten umhergingen. Keltischer Brauch war es auch, Dämonen von den lieben Verstorbenen mit entsprechender Maskerade fern zu halten.
    Dieser Mummenschanz zeigte sich im späteren Verlauf in zweierlei Sicht als erfolgreich. Zum einen übernahm das aufkommende Christentum die Idee mit dem Totengedenken. Allerdings stülpten sie der Ursprungsidee das Allerheiligenfest über, und die Erinnerung an die Verstorbenen, Allerseelen, rutschte auf den folgenden Tag.
    Zum anderen missionierten irische Mönche nicht nur große Teile Europas, sondern im Besonderen Amerika. Geschäftstüchtig und an eigenen Traditionen arm, nahm sich Hollywood des schaurigen Brauches an und machte daraus Halloween. Dieser Reimport zeigte sich in höhnisch grinsenden Kürbissen, die hinter Fenstern, auf Torpfosten und Plakaten den ahnungslosen Passanten eine gruselige Nacht versprachen. Mit »Totentanz«, »Freddy’s back« oder »Elm Street Party« lockten Discos und Kneipen die spaßgenerierten Langeweiler in ihre bemüht totengleichen Hallen. Findige Händler zogen nach.
    »Gespensterschnitten mit Marzipan-Geist«, »Höllenspieße«, Teufelsamulette oder quiekende Latex-Ratten überbrückten die an Umsatz so gespenstisch freie Zeit bis Weihnachten.
    Seit Jahren gut im Geschäft waren die Gärtnereien. Im Angebot für das Totengedenken waren unter anderem Gestecke, Kränze, Erde, Harken und Kerzen in allen Formen und Arten. Nach diesen Utensilien wurde einmal im Jahr, eben an Allerheiligen, verstärkt gefragt, und sie sorgten bei den Händlern für ein reiches Einkommen. Für die Käufer hingegen war es die Ausrüstung, das Grab der Verstorbenen in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen, um gegenüber den anderen Grabstätten nicht das Gesicht zu verlieren.
    Die Frau steuerte mit einem Handwagen auf das Grab zu. Es lag zwischen zwei mächtigen Grabstätten angesehener Würzburger Familien. Während deren letzte Ruhestätten aufwendig gepflegt waren, lag das enge Grab mit den verdorrten Blumengestecken des vergangenen Sommers verwildert da.
    »Da habe ich mir wieder mal was aufgeladen«, stöhnte die Frau und holte aus dem Handwagen Hacke und Schaufel hervor. Sie nahm die Hacke zur Hand und begann den Wildwuchs samt Wurzeln aus der Erde zu arbeiten. Am Kopf des Grabes war ein einfacher Stein im Boden eingelassen. Dahinter stand eine Mauer, die die einzelnen Friedhofsbereiche voneinander trennte.
    Die Frau stöhnte schwer unter der Last der Arbeit. Schließlich hatte sie das Grab vom alten Bewuchs befreit und bestückte es mit Ewigen Lichtern und neuen Pflanzen aus dem Handwagen. Zufrieden mit ihrem Werk stand sie vor dem Grab und suchte nach Streichhölzern, um vereinbarungsgemäß das erste Licht für das bevorstehende Allerheiligen anzuzünden. Sie hatte es der alten Nachbarin versprochen, die seit dem Sommer das Haus nicht mehr verlassen konnte. Sie zündete eine Kerze an und stellte sie vorsichtig auf den dafür vorgesehenen Platz. Die Flamme glomm kurz auf, erlosch aber gleich darauf.
    »G’lump, verreckt’s«, schimpfte sie über die Billigware aus dem Supermarkt.
    Erneut zündete sie ein Streichholz an, schaffte es aber nicht einmal bis zur Kerze, denn die Flamme hielt dem Wind nicht stand. Ein erneuter Griff in die Schachtel erwies sich als glücklos, da das letzte Streichholz aufgebraucht war. Sie schaute sich um, ob in ihrer Reihe noch jemand mit der Grabespflege beschäftigt war. Doch sie war die Einzige.
    Was blieb, war die Hoffnung, hinter dem Grabstein ein deponiertes Feuerzeug zu finden. Sie blickte in den schmalen Spalt zwischen

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