Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall
rissen die Gewehre hoch, als Galina atemlos in den Graben sprang.
»Mui bien«, lobte der kubanische Artillerieführer Johannes, der die Panzerfaust weiter reichte und sich um Galina kümmerte.
»Bist du verletzt?«, fragte er sie besorgt.
Sie schüttelte keuchend den Kopf. »Nichts passiert.«
Der Kubaner beugte sich mit einer Karte zu ihr herab. Galina zeigte ihm, wo sich die anrückenden Truppen der UNITA und der Südafrikaner befanden und welchen Weg sie einschlagen würden, um auf Luanda vorzurücken.
»Sie glauben, dass sie leichtes Spiel haben. Sie treffen keine Vorsichtsmaßnahmen und scherzen miteinander«, sagte Galina zum Kubaner.
»Dann werden sie eine Überraschung erleben«, versprach er ihr und gab die Koordinaten an die Geschützführer weiter.
»Verschwinde jetzt«, sagte Johannes zu ihr. »Es wird gleich losgehen.«
»Ich bleibe und kämpfe«, widersprach sie.
»Du verschwindest! Du hast es Sascha und mir versprochen.« Galinas Antwort erstickte unter dem Feuer der Artilleriegeschütze. Johannes und sie stürzten an die Waffen und feuerten auf die anrückenden südafrikanischen Einheiten.
»Durch das Tal von Ebo floss an diesem Tag ein Strom von Blut«, erinnerte sich Galina. »Wir haben sie vernichtend geschlagen und dachten, wir hätten gesiegt. Das Land wäre frei …«
»Und dann?«, fragte Kilian.
»Die CIA schlug unerbittlich zurück. Sie heuerte Söldner aus der ganzen Welt an und vergiftete das Land. Mord, Folter und Bürgerkrieg war alles, was sie und wir erreichten. Nichts blieb übrig von der gemeinsamen Sache gegen die Kapitalisten. Aber auch der CIA erging es nicht besser. Der amerikanische Senat stoppte die Gelder, und die CIA musste schmählich abrücken. Nur der Krieg ging weiter. Er erfasste den ganzen Kontinent. Zwei Jahre später in Äthiopien habe ich dann kapiert, dass der Kampf umsonst war. Weder wir noch die Amerikaner brachten Frieden. Die einzigen, die davon profitierten, waren die Waffenexporteure und die Geheimdienste. Sie zettelten alles an.
Und das hat sich bis heute nicht geändert.«
»Was ist aus diesem Johannes geworden?«
»Er ging seinen eigenen Weg.«
Galina wandte sich ab, wollte nicht mehr über die Vergangenheit reden.
»Welchen Weg?«, hakte Kilian nach.
»Er ging nach Amerika.«
»Ein kubanischer Freiheitskämpfer? Wie kam er durch die Kontrollen ins Land?«
»Eine neue Identität ist in diesem Geschäft kein Problem. Sascha war der Meinung, er sei an anderer Stelle besser aufgehoben. Letzten Endes hat er es weit gebracht. Allerdings glaubt er immer noch an die Weltrevolution.«
»Wer ist Sascha?«
»Vergiss den Namen und vergiss, was ich dir erzählt habe. Das ist gesünder für dich. Ich habe dir das nur gesagt, damit du begreifst, dass sich Dinge ändern und dass man sich in den Herren, denen man dient, auch täuschen kann.«
»Du sprichst in Rätseln. Was meinst du damit?«
Galina ließ Kilian wortlos auf der Terrasse stehen und ging die Treppe hinunter zum Taxi, das ihr bis hierher gefolgt war. Die Tür wurde von John Frankenheimer aufgehalten.
»Hast du etwas in Erfahrung bringen können?«, fragte er ungeduldig.
»Das Spiel ist aus. Er ist gefeuert«, antwortete sie nüchtern und stieg ein. Zum Taxifahrer gewandt, sagte sie: »Frankfurt, Flughafen.«
»Du bleibst hier, verdammt. Es ist noch lange nicht vorbei«, sagte John und zog sie aus dem Wagen heraus.
»Lass mich los.«
»Du gehst da jetzt hoch und bringst ihn auf die richtige Spur.
Er ist wichtig für uns. Er kann uns helfen. Hast du das verstanden?«
»Es ist vorbei. Kapier das endlich. Und ich will endlich wieder meinen Geschäften nachgehen. Sag Sascha, er soll sich jemand anderen suchen.«
Doch John ließ nicht locker und stieß sie die Stufen zur Terrasse hoch.
Kilian streifte die Promenade entlang. Vor ihm lag eines der Ausflugsschiffe, das unruhig im Wellengang der vorbeirasenden Polizeiboote schaukelte. Der schmale Uferstreifen war bis auf die Soldaten in hundert Meter Entfernung menschenleer. Er steckte sich ein Zigarillo an und setzte sich auf einen Betonpflock, an dem das Seil eines Schiffes festgemacht war. Was sollte er nun mit sich und seinem Leben anfangen, fragte er sich. Auf die Aburteilung Oberhammers würde er sicher nicht warten. Diesen Triumph würde er weder ihm noch Schröder gönnen. Eigentlich hatte er alle Chancen. Er war jung genug für einen Neuanfang. Er könnte nach Spanien gehen oder …
Ein Geräusch, als würde jemand aus einem
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