Wolfsblues
sind heute gegangen.«
»Er war nur geduldet im Rudel. Dass sie früher oder später gehen, war doch klar. Ich meine …«
»Sie suchen sich kein neues Rudel«, unterbrach mich Chris zutiefst besorgt. »Er fordert Seth heraus und da wäre ich gerne dabei. Ich traue diesem Widerling nur so weit, wie ich in sehen kann. Meg, ich habe eine miese Vorahnung, dass es nicht fair ablaufen wird. Bei einem sauberen Kampf würde ich mein gesamtes Hab und Gut auf Tank verwetten, aber so …«
Nicht, dass ich bereits ein schlechtes Gefühl wegen Leon hatte. Nunmehr nagte zusätzlich eine ungute Empfindung hinsichtlich Tank in meiner Magengegend. »Schickst du wen hinterher?«
»Abby und Aaron, auch wenn ich ungern meine Führungsriege losschicke.«
»Abigail?« Tyler schlug auf das Lenkrad mit aller Wut. »Bist du des Wahnsinns …« Er verschluckte den Rest, war er soeben dabei seinen Alphawolf zur Schnecke zu machen. Jeder andere Alpha hätte ihn dafür bluten lassen, jedoch nicht Chris. Auf sein Gesicht schlich sich ein wissender Ausdruck. »Ich weiß, dass du ein Auge auf Numero due geworfen hast, Ty. Doch du hast nicht den Mumm, sie zum Essen einzuladen.«
»Sie ist ranghöher. Die Initiative muss von ihr ausgehen«, entgegnete Tyler kreuzunglücklich. Eine meiner Meinung nach dumme und antiquierte Reglung, die noch von Tim stammte, dem Alpha vor Chris. Er musste eine echt üble Type gewesen sein, was man so von ihm hörte. Chris war nur kurzzeitig Beta unter ihm gewesen. Bei solchen Reglements war es kein Wunder, dass es nur noch so wenige von uns gab!
»Von Mutter? Initiative? Dann wäre sie heute noch Jungfrau!«, lachte Enya unverschämt. »In Beziehungsdingen ist Mom Legastheniker, wie so viele Dominante. Mein Vater war drei Ränge unter ihr. Unabhängig davon hat er sie eingeladen. Man muss nur wissen, wie man es an den überlegenen Wolf bringt. Du musst es so aussehen lassen, als wäre die Initiative von ihr ausgegangen. So einfach ist das. Souffliere ihr die Worte. Das ist bei weitem nicht so schwer, wie es sich anhört. Und anschließend nagelst du sie ordentlich. Das hat sie verdammt noch mal bitter nötig, so biestig, wie sie im Augenblick ist. Seth möchte ich jetzt nicht sein. Den verspeist sie zum Frühstück, so unausgeglichen, wie sie momentan ist.«
Tylers Mund stand sprachlos offen.
»So spricht man nicht über seine Mutter!«, tadelte Chris Enya schmunzelnd.
»Ich bin schwanger, ich darf das!«, erwiderte diese knochentrocken. »Wann sind wir denn endlich da?«
»Das sind die Koordinaten, die Jesse uns durchgegeben hat. Es ist unterirdisch gelegen«, versicherte Tyler eindringlich. »Die überirdischen Gebäudeteile wurden 1960 in Brand gesteckt. Vor drei Jahren haben sie den Rest abgerissen, der bis dato stand. Doch die unter der Erdoberfläche liegenden Labore blieben erhalten. Dort befinden sich Unterlagen, die überprüft werden müssten. Bloß keiner traut sich so recht dran. Die Lykaner, da es nun mal Polen ist. Die Vampire, weil sie ihre unrühmliche Vergangenheit gerne vergessen würden.«
Etwas, das Tyler offenkundig nicht konnte.
»Wieso GPS, Ty, wenn du eine Nase hast?« Chris tippte an sein hübsches Näschen. »Ich witterte Leon. Du etwa nicht?«
Einem Wolf, eine fehlende Witterung zu unterstellen, war dreist. Wir verließen uns jederzeit auf unseren Geruchssinn.
»Natürlich! Trotzdem möchte ich hundertprozentige Sicherheit. Ich bin Buchhalter«, erwiderte Tyler trocken.
»Ist auch egal!« Enya preschte für ihren Zustand recht agil an den beiden Männern vorbei und direkt auf den Eingang zu.
»Schwangere …« Ty schüttelte den Kopf, während Chris Enya hinterher humpelte.
»Er ist noch vor Ort.« Enya legte abermalig ein Tempo jenseits von Gut und Böse vor. Sollte sie nur. Leon würde unter keinen Umständen erneut abhauen können. Es gab hier nur einen Ausgang und den überwachte Tyler. Chris folgte ihr in gebührendem Abstand und ich blieb alleine zurück. Dieser Umstand kam mir gerade recht, hatte ich etwas Wichtiges zu erledigen. Die fixe Idee spann mir seit Berlin im Hirnkasten herum und wenn nicht jetzt, wann dann? Leon befand sich in einem der Räume am Ende des Korridors. Zu meiner Rechten lag ein winziges Büro und dort vermutete ich ein Archiv. Ich trat in den kleinen Raum und knipste das Licht an. In den fünf Jahren hatte sich einiges an Staub gesammelt auf den Aktenschränken. Ich rüttelte an einer Schublade. Sie war zu meinem Erstaunen nicht
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