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Wolfsbrut

Wolfsbrut

Titel: Wolfsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Whitley Strieber
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seinem lauten Heulen und seiner einst argwöhnischen Präsenz war nicht der Feind. Im Schatten verborgen, möglicherweise am Weg zum Brunnen, lag der wahre Feind, unbemerkt, geduldig und unvorstellbar tödlich. Das Wolfswesen mit den langen, fingerähnlichen Pfoten, der Werwolf, die andere intelligente Rasse auf diesem Planeten.
    Wir haben den unschuldigen Gebirgswolf ausgerottet und die wirkliche Gefahr nicht einmal entdeckt. Während der Wolf den gleichgültigen Mond anheulte, kroch der wahre Feind in den Keller und benützte seine geschickten Pfoten, um den Riegel der Tür aufzumachen.
    Ferguson strich sich mit den Fingern durchs Haar und versuchte, die schreckliche Wahrheit zu akzeptieren, die er herausgefunden hatte. Dieser verdammte Polizist - Wilson war sein Name - hatte in dieser ganzen Sache eine unglaubliche Intuition. Detective Wilson hatte als erster das Wort Werwolf ausgesprochen, auf das hin Ferguson sich ernsthaft Gedanken über die seltsame Pfote gemacht hatte. Und Wilson hatte behauptet, daß die Werwölfe ihn und die Frau jagten. Mit gutem Grund! Wenn das Geheimnis erst einmal gelüftet war, würde der Werwolf ein ungleich härteres Leben haben - wie früher in Europa, als die Menschen die Türen verriegelten und die Fenster verbarrikadierten, oder in Amerika, wo die Indianer ihr Wissen einsetzten, um ein tödliches Versteckspiel zu spielen, ein Spiel, das sich bis auf den heutigen Tag in den traditionellen Tänzen vieler Stämme erhalten hatte. Der Werwolf war den Menschen zweifellos vor vielen Jahrtausenden über die Bering-Landbrücke in dieses Land gefolgt. Aber er hatte sich immer und überall so gut er konnte versteckt. Logischerweise. Kein Bettler würde auf dem Gehweg schlafen, wenn alle vom Werwolf wußten. Eine Woge des Entsetzens würde durch die Städte und die Welt rasen, wie man sie seit dem Mittelalter nicht mehr erlebt hatte. Unaussprechliche Greuel würden im Namen der Sicherheit der Menschen verübt werden. Der Mensch würde seinem Widersacher den totalen Krieg erklären.
    Und er würde endlich einen fairen Kampf führen. Mit all unserer Technologie haben wir uns nie vorher einer wahrhaft fremden Intelligenz gegenübergesehen, standen nie einer Rasse mit ihrem eigenen Instinkt gegenüber, der unserem bei weitem überlegen ist. Ferguson konnte sich nicht vorstellen, wie der Verstand hinter Schnauze und Ohren des Werwolfs sein konnte. Die Informationsflut, die über ihn hereinbrach, mußte buchstäblich millionenfach größer sein als die, über die der Mensch verfügte. Der Verstand, der all diesen Informationen einen Sinn zuordnen konnte, mußte wahrhaftig ein Wunder sein. Vielleicht größer als der Verstand des Menschen. Und diesesmal mußte der Mensch verantwortungsvoll reagieren. Falls Intelligenz vorhanden war, konnte man mit ihnen reden, und vielleicht würden beide Rassen lernen, wie man friedlich miteinander leben konnte. Wenn Carl Ferguson darin überhaupt einen Platz hatte, dann den des Missionars für Vernunft und Verständnis. Der Mensch konnte dieser Rasse entweder den Krieg erklären oder versuchen, sie zu verstehen. Carl Ferguson hob den Kopf, machte die Augen zu und hoffte mit jeder Faser seines Körpers, daß die Vernunft wenigstens einmal die Oberhand behalten würde.
    Er stellte überrascht fest, daß jemand neben ihm stand.
    »Sie müssen mit diesem Anforderungszettel in die Abteilung für seltene Bücher gehen. Wir haben dieses Buch nicht im Lesesaal. Unsere Bücher wurden alle nach 1825 veröffentlicht, aber dieses Buch wurde 1597 geschrieben.« Der Angestellte warf den Zettel vor Ferguson auf den Tisch und entfernte sich wieder. Ferguson stand auf, nahm die Karte in die Hand und ging zur Sammlung seltener Bücher.
    Er schritt durch die leeren, hallenden Flure der großen Bibliothek und gelangte schließlich in die Abteilung seltener Bücher. An einem Schreibtisch saß eine Frau in mittleren Jahren und arbeitete unter einer Lampe mit grünem Schirm an einem Katalog. Das leise Klappern der Heizungsrohre und das vom Schnee gedämpfte Murmeln der Stadt vor den Fenstern waren die einzigen Geräusche.
    »Ich bin Carl Ferguson vom Naturgeschichtlichen Museum. Ich würde mir gern dieses Buch ansehen.« Er reichte ihr die Karte.
    »Haben wir es?«
    »Es steht im Katalog.«
    Sie stand auf und verschwand hinter einer Tür mit Schnurvorhang. Ferguson stand einen Moment erwartungsvoll da, dann setzte er sich auf einen Stuhl. Aus der Richtung, in die die Frau gegangen war,

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