Wolfsbrut
und seine Kinder. Viele Zeitalter lang würde sich die ganze Rasse seines Versagens erinnern. Sein Name würde ein Fluch werden. Und sein Geschlecht, das er mit Mut gezeugt hatte, würde verderben und sterben. Andere würden von ihm sagen: »Es wäre besser, wenn er in den Bergen geblieben wäre.«
Er seufzte und konzentrierte sich wieder auf das naheliegende Problem. Immer noch Tageslicht, und der Geruch der Gejagten wurde stärker. Ja, sie kamen zu dieser Tür. Noch wenige Augenblicke, und sie würden auf der Treppe sein. Er klappte den Kiefer zu und schickte damit die anderen auf ihre Posten neben dem Haupteingang. Die Zweitgeborenen versteckten sich unter parkenden Autos auf der anderen Straßenseite. Sollten die beiden an ihm vorbeigelangen, würden sie nicht weit kommen. Die jüngsten, die Drittgeborenen, kamen zu ihm und warteten. Seine Schwester, deren Fell in der Blüte ihrer Fraulichkeit glänzte, deren wunderschönes Gesicht vor Mut und Vorfreude strahlte, deren Bewegungen ruhig und königlich waren, ging an der gegenüberliegenden Mauer in Stellung.
Diesesmal würden sie nicht entkommen. Die Jagd war endlich vorbei. Und sie würden eine zusätzliche Belohnung bekommen: Der große Mann, mit dem die beiden soviel Zeit verbrachten, würde ebenfalls vernichtet werden.
Ausgezeichnet, aber es war eine häßliche und schmutzige Angelegenheit. Man nahm den Jungen nicht das Leben. Nicht einmal die Tiere des Waldes jagten jemals die Jungen. Aus praktischen Erwägungen heraus, weil es schwieriger war, aber es gab noch stichhaltigere Gründe. Anderes Leben mußte vernichtet werden, damit die Meute leben konnte. Es war abstoßend, das den Jungen anzutun. Wenn einer ihrer eigenen Gattung alt wurde, gaben ihm die Jungen den Tod, aber vor seiner Zeit verspürte er den heftigen Wunsch, weiterzuexistieren und sein Leben ganz auszukosten. So mußte es auch für die Beute sein. Die wenigen Male, die er gezwungen gewesen war, Junge zu töten, hatte er ihre verzweifelte Gegenwehr gespürt, den heftigen Puls eines Lebens; und hinterher, wenn sein Bauch voll und sein Herz schwer gewesen war, hatte er sich selbst gehaßt.
Sie kamen zur Tür, ihr starker Geruch eilte ihnen voraus. Die Frau roch grell und beißend, nicht wie Nahrung. Bei dem jungen Mann dasselbe. Nur der Geruch des Älteren erinnerte an Nahrung; er hatte diese durchdringende Süße, die dem Geruch eines geschwächten Körpers entsprach. Trotzdem strotzte er noch vor Leben. Zusammengenommen funkelten ihre drei Gerüche. Er seufzte und sah die Drittgeborenen an, die bei ihm waren. Ihre Gesichter drückten Angst aus. Aus eben diesem Grund hatte er sichergestellt, daß sie bei ihm sein würden: Dieses Erlebnis würde ihnen beibringen, niemals die Jungen zu töten, und auch, sich niemals sehen zu lassen. Sie sahen den Schmerz im Gesicht ihres Vaters, einen Anblick, den sie niemals vergessen würden. Er ließ sie das ganze Ausmaß seiner Empfindungen sehen, hören und riechen. Und er stellte voll Dankbarkeit fest, daß das, was bisher eine aufregende Jagd für sie gewesen war, nun genau das wurde, was es sein sollte: ein Anlaß zu Trauer und Beschämung.
Jetzt spannten sich ihre Körper. Ihre Gerüche veränderten sich auf der Stelle. Sein eigenes Herz schlug schneller, als er ihre Erwartung spürte. Die drei Opfer kamen die Treppe herunter, ihre Gerüche und Bewegungen strahlten Argwohn aus - und dennoch gingen sie weiter, ohne die Falle zu ahnen, in der sie sich befanden. Obwohl er die Menschen kannte, erstaunte ihn die Tatsache immer wieder, daß sie ohne weiteres einfach in den Geruch der Gefahr hineinliefen. Sie hatten kleine Erhebungen in den Gesichtern, mit denen sie atmeten, aber das waren nur blinde Fortsätze, die ausschließlich dazu dienten, Luft in den Körper und wieder heraus zu transportieren.
Die drei erreichten das Ende der Stufen - und die Drittgeborenen sprangen über den Zaun. Gleichzeitig trat ein Mann, der verborgen auf die drei gewartet hatte, in deren Weg und erzeugte grelle Lichter. Der alte Vater verfluchte sich selbst; er hatte gewußt, daß dieser Mann da war, sich aber nichts dabei gedacht! Natürlich, natürlich - und jetzt blieben seine beiden Jüngsten stehen. Nein, lauft weiter! Zu spät, jetzt wandten sie sich ab, sie waren verwirrt, eine Vielzahl Fragen standen in ihren Gesichtern: Was sollen wir tun? Und Waffen wurden gezückt, alle rannten zum Park, das Knallen der Waffen, die in der Luft detonierten, die Meute sprang auf die
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